In Dragenfeld und wieder retour
Inhaltsverzeichnis
- 1 Eintrag vom Rahja 1015 BF
- 2 Eintrag vom Rahja 1015 BF
- 3 Eintrag vom Rahja 1015 BF
- 4 Eintrag vom 3. Rahja 1015 BF
- 5 Eintrag vom 4. Rahja 1015 BF
- 6 Eintrag vom 7. Rahja 1015 BF
- 7 Eintrag vom 7. Rahja 1015 BF
- 8 Eintrag vom 8. Rahja 1015 BF
- 9 Eintrag vom 8. Rahja 1015 BF
- 10 Eintrag vom 9. Rahja 1015 BF
- 11 Eintrag vom 11. Rahja 1015 BF
- 12 Eintrag vom 14. Rahja 1015 BF
- 13 Eintrag vom 15. Rahja 1015 BF
Eintrag vom Rahja 1015 BF
Ich weiß nicht, welcher Tag heute ist. Das letzte an was ich mich erinnere, ist unsere Reise hierher. Wir sind in Dragenfeld angekommen, dem Zentrum der Schrecknisse, die über das Land herfallen.
Während wir weiterzogen wurde die Gegend immer schlimmer. Der Humus war nur noch grauer Staub, die Zeit schien hier wirklich schneller zu vergehen, denn auch unsere Kleidung schien in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Es schien mir, Jahrzehnte unterwegs zu sein, uns ist klar, dass wir die Rückreise nicht mehr überleben werden, sollte uns nicht ein Wunder retten. All unser Proviant ist verdorben, das Wasser schmeckt schal, aber es ist immerhin noch trinkbar. Rund um uns war es totenstill, keine Insekten, kein noch so kleines Getier war auszumachen. Irgendwann, ein Jahrhundert später, wie mir schien, erreichten wir einen Hügel. Von dort sahen wir hinab auf ein Tal, welch ein furchtbarer Anblick! Alles war in ein tristes Grau getaucht, das Dorf Dragenfeld lag zerstört vor uns, ein Scheiterhaufen stand mahnend auf dem Dorfplatz, über alles ragte Burg Drachentodt mit seinem Turm. Als wir uns mit letzter Kraft näher schleppten, waren wir wie geblendet von seinen Farben. Es erschien mir wie eines der alveranischen Paradiese. Dann weiß ich nur noch, dass wir ihn betraten und uns ein Gefühl der Sicherheit überkam. Wir sanken zu Boden und fielen wohl alle in einen tiefen erholsamen Schlaf. Und nun sitze ich hier, ich fühle mich frisch erholt und gestärkt, und doch scheint es mir, als ob ich nur ein paar Stunden geschlafen hätte. Wir werden nun diesen Tempel untersuchen, vielleicht finden wir hier ja Hinweise darauf, was passiert ist. Und dann werden wir wohl die Festung stürmen und versuchen Korobar zu stoppen, hier wird es sich entscheiden… |
Eintrag vom Rahja 1015 BF
Nun wird uns endlich klar, was hier ungefähr passiert ist. Zumindest können wir es vermuten.
Wir haben Schwester Laniares Tagebuch gefunden. Und das Dragenfelder Register. Es heißt hier, dass sie im Efferd 1010 BF in dieses Dorf als neue Priesterin kam. Sie war motiviert, den Menschen hier Tsa näher zu bringen, doch war sie scheinbar nicht erfolgreich mit ihrer Mission. Laniare beschreibt die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes als einfältig und verschlossen vor neuen Dingen. Sie kommt damit wohl nicht zurecht und wird zunehmend frustrierter. Interessant ist ein Eintrag im Peraine 1013 BF, als ein Tulamide ins Dorf kommt. Sie beschreibt ihn als Gelehrten, doch körperlich schrecklich entstellt. Sein linkes Auge fehlt und er weist am ganzen Körper Verbrennungen auf. Sein Name sei Hamid ben Seyshaban, der Name, den uns auch schon die Dörfler genannt haben. Sie schreibt in ihrem Tagebuch über ein Buch dessen Titel mit CS abgekürzt wird und welches sie von diesem Tulamiden bekommen hatte. Es stammt von den alten Echsen. Seither nennt sie die junge Göttin Z’zah, wie es die Geschuppten tun. Bereits im Rahja 1013 BF lernt sie durch diesen ben Seyshaban die Zeit anzuhalten! Woher hat er dieses Wissen bloß? Schwester Laniare ist wie besessen davon mehr über die alten Achaz zu erfahren. Sie glaubte, ben Seyshaban war ein Priester Satinavs. Er ist ihr Lehrer, gemeinsam studieren sie die Schriften des CS und des LZS – ob mit letzterem das legendäre Liber Zhammoricam per Satinav gemeint ist?? Extra dafür lernt sie Zelemja, die Sprache, die nur noch in der Gegend um Selem gesprochen wird, und die ältere Form Protozelemja. Wir haben auch das Vokabelheft gefunden, welches sie benutzt. Ich könnte daraus Protozelemja lernen, jedoch müsste ich dazu auch Zelemja können. Dann wird berichtet, wie sie dank ben Seyshaban in die Vergangenheit blicken kann! Wie geht das? Solche Zauber sind eigentlich den Druiden und vorbehalten! Sind gar borbaradianische Methoden im Spiel? Praios bewahre! Schwester Laniare hat warnende Träume, schließlich ist sie sich sicher, dass ben Seyshaban von Turm Drachentodt eine mächtige Beschwörung einleitet. Fest entschlossen will sie ihn aufhalten. Doch die Dorfbewohnerinnen und -bewohner sehen sie als Hexe und wollen sie auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Sie sieht ein, dass sie einen großen Fehler begangen hat und hat sich ihrem Schicksal wohl freiwillig gefügt. Das war am 22. Ingerimm 1015 BF, genau an dem Tag, als Mutter Linai ihre Vision hatte. |
Eintrag vom Rahja 1015 BF
Wir hatten gerade eine Besprechung und haben nun einen Entschluss gefasst. Doch davor will ich noch die restlichen Erkenntnisse niederschreiben.
Das unheilvolle Pergament, welches Schwester Laniare beschreibt, haben wir auch gefunden. Nicht alles kann ich lesen, doch einiges hat uns hellhörig werden lassen. Zu gerne würde ich versuchen das gesamte Pergament zu entziffern, aber es ist nicht die Zeit nun dazu. Ich habe mir die Sterne draußen angesehen, um einen Anhaltspunkt über das Datum zu erhalten. Doch stattdessen musste ich feststellen, dass genau heute Nacht die Gestirne günstig stehen, wenn man Großes vorhat. Das Sternbild des Satinav steht im Meridian, es ist eine Art Warnung vom Ende der Zeit, es bedeutet Kampf und Beginn. Korobar hat auf diese Nacht hingearbeitet, da ich bin mir sicher. Wir müssen ihn aufhalten. Jetzt. Wir dürfen keine Zeit verlieren! Im Tempel haben wir vier Tränke gefunden, ein Heiltrank und drei Wässerchen, die einem Segen versprechen, so man sie verschenkt. Auch Essen war hier, endlich konnten wir uns wieder stärken. |
Eintrag vom 3. Rahja 1015 BF
Ich glaube es kaum, ich bin am Leben. Und mit mir auch alle anderen. Unerwartete Hilfe kam von Delian von Wiedbrück, der zurückgekehrt ist um uns zu helfen. Er fand uns gestern Abend bewusstlos im Turm Drachentodt.
Noch ist alles zu frisch, was passiert ist, wir alle sind am Ende mit unseren Kräften. Ob wir siegreich waren oder nicht, vermag ich noch nicht zu sagen. Einerseits ja, andererseits aber nicht. Wir bleiben heute im Tempel, noch sind wir zu schwach um weiterzuziehen, außerdem haben wir einige Wunden davongetragen, es lief wie erwartet nicht ohne Kampf ab. Doch nun muss ich nachdenken, vieles ist passiert, mir noch mehr, als den anderen. |
Eintrag vom 4. Rahja 1015 BF
Wir sind auf dem Weg zurück nach Runhag, nur der Wille diese gottverlassene verfluchte Gegend zu verlassen treibt uns voran. Nur langsam vermögen wir zu reisen, Delian von Wiedbrück ist immer noch nicht ganz vom Wundfieber genesen, und wir sind alle immer noch schwach.
Endlich vermag ich zögernd niederzuschreiben, von den schrecklichen Erlebnissen im Turm. Wieder zwei Skelette, doch auch die konnten wir besiegen, auch wenn Grim und Torben einige Verletzungen davontrugen. Ich gab Grim den Heiltrank, denn dies würde nicht der letzte Kampf gewesen sein. Oben im ersten Stock fanden wir jedoch interessante Dinge. Zuerst einmal standen dort einige alchimistische Apparaturen, ein Foliant lag auf einem Lesepult und darunter vier Teile der Orakelsprüche von Fasar! Doch als ich den Folianten durchsehen wollte, zerbröselten die Seiten zwischen meinen Fingern. Aus Angst den Orakelsprüchen könnte es gleich ergehen, lernte ich sie mit einem Memorans auswendig. Meine Sorge war jedoch unbegründet, Satinav konnte diesen Artefakten nichts anhaben. Schließlich folgte ich den anderen in den nächsten Stock, der Raum war fast leer, doch merkwürdige Kreidelinien am Boden konnte ich ausmachen. Es waren drei an der Zahl, sie kreuzten sich in einem Punkt und trugen die Namen Satinavs Ketten 1 und 2 und Hexenband. Ich habe noch nie davon gehört. Notdürftig versuchte ich sie aufzuzeichnen, was haben sie nur zu bedeuten? Vielleicht haben sie mit dem Beschwörungsritual zu tun. Im oberen Stock entbrannte währenddessen ein harter Kampf, der für uns nicht gut aussah. Der Zwerg und die Söldnerin, beide Mitglieder der formidablen sechs, machten ein Weiterkommen unmöglich. Joela wurde von einem Armbrustbolzen am Arm getroffen. Mir gelang es mit Ach und Krach die Söldnerin zu paralysieren. Ihr Geist leistete ungewöhnlich hohen Widerstand, ich denke, das kommt daher, dass sie von Korobar beherrscht wird. Schließlich konnten wir auch den Zwerg bezwingen. Der Weg war frei zu Korobar. Mit diesem Bericht schließe ich für heute. Immer noch reisen wir mehr oder minder schweigend. Nur das Notwendigste wird gesprochen, jeder und jede von uns verarbeitet die Geschehnisse auf seine Weise. Dies waren Erlebnisse, die wir wohl nie vergessen werden. Ich als Allerletzte… |
Eintrag vom 7. Rahja 1015 BF
Wir haben unsere Pferde wieder gefunden, genauso, wie wir sie zurückgelassen haben. Sie haben wohl auf uns gewartet. Wie froh war ich, als ich Sturmnacht wieder sah! Ich dachte schon, sie wäre für immer verloren! |
Eintrag vom 7. Rahja 1015 BF
So schön der Tag auch begonnen hat, er wird durch eine traurige Nachricht überschattet. Als wir in Runhag angekommen sind, mussten wir erfahren, dass man hier nichts von Mutter Linai und den Menschen aus Dragenfeld gehört hat. Ist ihnen etwas zugestoßen? Oder waren sie zu alt um die Reise zu überstehen? Traurig werde ich bei dem Gedanken, dass niemand von ihnen diese Reise überlebt hat. Ich trauere um sie.
Doch auch wir sind gealtert. Joela und Aridhel blieben weitgehendst unberührt von Satinav (Joela hat kleine Falten um die Augen, doch das gibt sie nicht zu), aber wir anderen… Torben, Grim und ich sind einige Jahre älter geworden. Vor allem ich. Als wir im Tempel der Tsa wieder erwachten, wurde es uns so richtig bewusst. Wie ich mich in der Klinge von Grims Orknase das erste Mal sah, dachte ich, ich blicke in die Zukunft. Ich war wohl fünfzehn Götterläufe oder mehr gealtert. Falten durchziehen schon mein Gesicht, meine Gelenke schmerzen und meine Haut ist schlaffer als früher. Was ist hier nur vorgegangen? Welcher Frevel wurde hier begangen, an Dere, an den Sphären und an den Zwölfen? Doch nun möchte ich fortfahren mit den Ereignissen in jener schicksalsträchtigen Nacht. Nachdem wir den Zwerg ausgeschaltet hatten, stürmten Torben und Grim schon nach oben. Aber auch der Turm Satinavs Hörnern gezeichnet. Der Boden war morsch, und Torben stürzte hinab. Im zweiten Stockwerk blieb er bewusstlos liegen. Sofort rannte ich hinunter zu ihm. Gleich war mir klar, würde ich nicht erste Hilfe leisten, ginge er zu Boron! Gerade als ich ihn halbwegs stabilisiert hatte, schreckte ich hoch, denn ober mir krachte es gewaltig. Und einen Wimpernschlag später landeten Grim und Korobar neben mir. Welch Glück, dass ich Torben noch beiseite gezogen hatte, die beiden hätten ihn unter sich begraben. Die Söldnerin, die ich paralysiert hatte, wurde nun auch nicht mehr beherrscht, wir nahmen sie und den Leichnam von Korobar mit nach unten ins Erdgeschoss. Uns war vorher schon aufgefallen, dass es dort eine Bodenluke gab. Torben und Aridhel blieben hier sitzen, da sie beide zu diesem Zeitpunkt in einer schlechte Verfassung waren. Torben war schwer verletzt und Aridhel hatte wohl einen Borbaradianerspruch von Korobar abbekommen. Wir stiegen hinab und fanden uns in einer Art Empfangsraum wieder. Zwei Statuen standen auf dem Tisch, eine Hornechse und ein Drache mit 13 Hörnern. Als wir uns ihnen näherten, erschien eine eindringliche Warnung in Form einer Flammenschrift an der Wand: „Weiche zurück oder stirb, Verdammter!“ Joela zerstörte die Statuen aus Wut, zu unserem Glück passierte jedoch nichts. Torben, von Aridhel magisch gestärkt, bewies Scharfsinn, er konnte schlussendlich eine Treppe ausmachen. Wir kamen in einem kleinen Raum, am Boden befand sich nur eine Falltür mit einem Heptagramm aus Arcanium, welches in den Boden eingelassen war. Als wir die Falltür öffneten erschien ein Sordul, eine hunde- und menschenähnlicher Wächterdämon. Leider konnten wir gegen ihn nicht viel ausrichten. Ich heilte zwar Joela etwas, aber wir waren insgesamt viel zu schwach und die außer mir und Aridhel hatte niemand magische Waffen. Nur Korobars Zauberstab war noch da. Als wir die Klappe jedoch schlossen, war der Sordul jedoch sofort weg. Ich kann nicht mehr, ich muss meinen Bericht hier für heute schließen. Kopfweh plagt mich und mein linkes Auge hat sich böse entzunden, es ist schon ganz rot und schwillt langsam zu. Außerdem sehe ich damit alles nur mehr in einem Grauschleier. Aridhel und ich ritten mit Dhawyn voraus nach Anderath, wir erhofften uns Hilfe von den Praioten, doch das Treffen wurde nach Salthel verlegt. Morgen werden wir dorthin reiten, doch heute werden wir hier übernachten. |
Eintrag vom 8. Rahja 1015 BF
Aridhel und ich sind gut in Salthel angekommen. Noch ist nicht viel los hier. Von den anderen hat man nichts gehört. Mir tut die Ruhe gut. Auch wenn mich meine Gedanken oft verzweifeln lassen. Ich werde mich noch etwas ausruhen, heute am Nachmittag hat mich Inquisitionsrat Amando Laconda da Vanya um ein Gespräch gebeten.
Ich will nun die Ruhe nutzen um meine Geschichte weiter niederzuschreiben. Irgendwann gab die Kugel nach, und das Grau strömte aus der Öffnung. Das Wabern erfasste uns, umschlang uns, vereinnahmte uns. Wir schienen zu schweben. Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass wir uns im Limbus befanden, denn ich fühlte auch Schmerzen. Wir fassten uns an der Hand um uns nicht zu verlieren. In der Ferne sahen wir den Dreizehnzack. Just in dem Moment, als ich mir wünschte, dorthin zu gelangen, schwebte ich auch schon darauf zu. In dem diffusen Licht konnte ich dämonische Symbole ausmachen, es handelte sich wohl um einen Beschwörungskreis. In den Zacken saßen angekettete Menschen, sie wanden sich vor Schmerzen, ihre Gesichter waren schrecklich entstellt, sie alle waren gealtert, wie wir. Und dann – in der Mitte saß in silbernes Licht getaucht ein Mann mit einem Kristall in der Hand. Zuerst glaubte ich schon, dass es sich um einen Karfunkel handelte, doch als wir näher kamen, bemerkten wir, dass es ein Rubin war. Plötzlich wurde es uns klar, der Mann dort in der Mitte war Liscom von Fasar. Er hatte sich also doch als Hamid ben Seyshaban ausgegeben. Sein Fleisch war bis auf die Knochen abgebrannt, grausam entstellt war er. Tecladors Odem war wohl der Grund dafür. Der Blick in seinem einzig noch vorhandenen Auge war fanatisch, Entschlossenheit sprach sein Gesicht, auch wenn es fast nicht mehr vorhanden war. Und da, plötzlich wurde er jünger, seine Haut regenerierte sich, die Falten verschwanden, er wurde gesund. Mir war klar, dieser Körper war für jemanden bestimmt, die Person, die er in diesem Ritual freisetzen wollte. Wir schwebten weiter auf ihn zu, er schien uns gar nicht wahrzunehmen. Irgendwann, ich vermag nicht zu sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, da erreichten wir ihn. Joela schlug ihm seine Hand ab, die mit dem Rubin, und Torben nahm den Stein an sich. Er sah ihn kurz an und streckte ihn mir hin. Und ich nahm ihn und besiegelte dadurch womöglich mein Schicksal. Wir verstümmelten buchstäblich Liscoms Körper, unsere Waffen wurden von unserer Wut geführt. Es war ein grausamer Anblick. Ich merkte ein Gefühl von Macht um mich herum, etwas schien sich um mich herum zu sammeln. Nachdem Liscom getötet war, erlösten wir die restlichen Gefangenen von ihrem Leid, Aridhel hatte sich schon einige Zeit vorher von unserer Gruppe gelöst und damit begonnen. Wir versuchten irgendwie dieses Ritual aufzuhalten, egal mit welchem Mittel. Auch ich tötete einen Gefangenen, es war ein Junge, nicht mehr als zwanzig Götterläufe alt. Als ich ihn erschlug konnte ich in seinem Gesicht Erlösung sehen, mein einziger Trost. Und dann, als der letzte Gefangene fiel, erschütterten die Sphären, ich spürte unsägliche Schmerzen, mein Leben zog an mir vorbei und ich dachte im ersten Moment, es wäre nun zu Ende. Doch dann überkam mich ein Gefühl der Sicherheit. Ich wollte nur noch dem Nebel entkommen, ein Beben, das die Sphären erschütterte, beförderte die anderen wohl nach draußen, doch ich blieb einen Wimpernschlag länger hier in diesem grauen Wabern. Bevor mir wie den anderen die Sinne schwanden, war er hier. Er, dessen Name ich nie mehr vergessen werde. Zuerst fühlte ich mich fast fröhlich, zufrieden, bis ich merkte, dass nicht ich diese Gefühle hatte, sondern er. Er, ein Schatten seiner selbst, ging durch mich hindurch. Vom dort ins hier. Von da an wusste ich, dass ich von nun an ein Zeichen tragen werde, dass mich für immer an dieses Ereignis erinnern wird, und sein Name brannte sich mir ins Gedächtnis: es war der des Bethaners. Ich erwachte im Tsa-Tempel. Als ich um mich blickte, sah ich in erleichterte Gesichter. Sie alle waren der Meinung, dass wir das Ritual vereitelt hatten. Doch ich wusste, dass das nur bedingt stimmte. Der Bethaner war trotzdem zurückgekehrt. Vielleicht nur sein Geist. Aber irgendwo ist er in unserer Welt, vielleicht noch nicht in unserer Sphäre, aber ich weiß, dass er entkommen ist. Als ich das erzählte, war mir klar, dass sie mir zuerst nicht glaubten. Auch ich wollte es zuerst nicht wahrhaben. Aber ich konnte es spüren, ich ahnte es. Und ich bin die erste Gezeichnete. Alle blickten mich fassungslos an, als ich das sagte. Der Rubin – ich hatte ihn in meiner Tasche, doch nun war er nicht mehr hier, er war verschwunden. Alle waren schweigsam die nächste Zeit. Wir ruhten uns noch eine Weile aus, bevor wir zurück nach Anderath zogen. Delian von Wiedbrück fand das Liber Zhammoricam, das berüchtigte Buch der alten Echsen. Ich kann es nicht lesen, es ist wohl in Zelemja und Protozelemja geschrieben. Noch weiß ich nicht, was ich damit tun soll, solch ein mächtiges Buch kann gefährlich werden, noch dazu wo es verboten ist. Doch vielleicht können wir mit seiner Hilfe herausfinden, was hier passiert ist. Ich bin mir sicher, hier liegt der Schlüssel darin. Nun ist dies meine Geschichte, ich weiß nicht, was mit mir passiert, ich habe oft Kopfweh und mein linkes Auge ist stark entzunden. Um viele Jahre bin ich gealtert, und auch die Welt ist eine andere. Diese Nacht, vom ersten auf den zweiten Rahja 1015 BF hat etwas eingeleitet, sie hat etwas beschworen, das das Schicksal Deres erschüttern wird. Die Prophezeiungen erfüllen sich. Und ich bin nun ein Teil von ihnen. |
Eintrag vom 8. Rahja 1015 BF
Heute habe ich das erste Mal mit Inquisitionsrat Amando Laconda da Vanya gesprochen. Er wollte mit Aridhel und mir jeweils unter vier Augen und deren der Zwölfe sprechen. Ich erzählte ihm fast alles, was passiert war. Nur den letzten Teil ließ ich aus. Ich erwähnte den Namen nicht, der mir die letzten Tage allgegenwärtig war. Da Vanya hörte mir einfach nur zu, fragte hin und wieder etwas nach, war sonst aber ganz ruhig, selbst bei den Stellen, wo ich dachte, er würde sie mir nicht glauben. Am Schluss unseres Gesprächs, sah er mich an, ich glaube, er wusste, dass ich noch etwas zurückhielt. Er fragte mich nicht direkt, doch sein Blick bohrte sich tief in mein gealtertes Gesicht mit dem geschwollenen Auge.
Wie das Gespräch mit Aridhel verlief, weiß ich nicht so recht, aber ich glaube, es war nicht ungut. Denn Aridhel sagte darauf nichts, ich erwartete fast, dass er über die Praioten zu schimpfen beginnen würde, doch nichts geschah. Amando Laconda da Vanya – er beeindruckt mich immer mehr. Er hat eine beruhigende Art, man fühlt sich in seiner Gegenwart nie angegriffen, wie ich es schon bei anderen Geweihten des Herrn Praios bemerkt habe. Im Gegenteil, das Gespräch mit ihm hat mich irgendwie erleichtert, auch wenn ich nicht weiß, was er von meinen Erzählungen haltet. Er scheint mir ein wirklich vernünftiger Mann zu sein, der wirklich von Praios gesegnet ist. Seine Menschenkenntnis ist beachtlich und im Umgang mit Menschen sehr bedacht. Er ist ein gerechter Richter. |
Eintrag vom 9. Rahja 1015 BF
Das Schreiben gestern hat gut getan. Auch das Gespräch mit dem Inquisitionsrat hat mir geholfen. Endlich fühle ich mich etwas erleichtert. Ich habe meine Gedanken geordnet, nun kann ich anfangen, die Geschehnisse der letzten Tage zu verarbeiten.
Endlich sind die anderen auch eingetroffen. Zu unserem Leidwesen haben auch sie nichts von Mutter Linai gehört. Die Hoffnung schwindet, dass sie jemals zurückkehren werden. Auch die anderen wurden alle vom Inquisitionsrat befragt. Delian von Wiedbrück hat unsere Geschichte hoffentlich bestätigt, denn auch er hatte ein Gespräch mit da Vanya. Danach verabschiedete er sich wortkarg von uns und meinte nur noch in seiner arroganten Art: „Wir sind quitt“. Ein wahrhaft nicht sehr freundlicher Zeitgenosse, doch verdanken wir ihm einiges. Ich bin gespannt, ob wir ihn noch einmal wiedersehen werden. In ein paar Tagen ist die Besprechung über die Ergebnisse der Untersuchungen. Ich hoffe, wir erfahren, was hier vor sich geht. |
Eintrag vom 11. Rahja 1015 BF
Auch hier konnten mir die Ärzte und Geweihten nicht helfen. Mein Auge ist weiterhin entzunden. Ich sehe fast nichts mehr, da es völlig zugeschwollen ist.
Immer wieder holt der Inquisitionsrat uns zu Einzelgesprächen. Trotz allem haben wir nicht das Gefühl, dass er uns verhört. Ich sitze oft im Wald, hier wo er noch in Ordnung ist. Die Natur hat nicht weit von hier entfernt schrecklichen Schaden genommen, vielleicht erholt sie sich nie wieder davon. Noch ahnt hier niemand, was vielleicht noch auf Dere passieren wird, noch ahnt niemand etwas von dem Schrecken, der zurückgekehrt ist. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass selbst Grim und Joela mir nicht ganz glauben. Sie reden über mich, ich weiß es. Was, wenn sie sich gegen mich stellen und glauben, ich wäre verrückt geworden? Was, wenn ich das wirklich bin? Aber was, wenn ich recht habe? Was wenn der Bethaner wirklich zurückgekehrt ist? Dann müssen wir die Völker Deres warnen. Doch werden sie uns dann glauben? |
Eintrag vom 14. Rahja 1015 BF
Heute hatte ich wieder ein Gespräch mit dem Inquisitionsrat. Ich habe ihm nun alles erzählt. Ob er mir glaubt? Ich weiß es nicht. Seine Miene verrät nichts. Nur, dass er doch ziemlich besorgt ist. Was soll ich davon bloß halten? Ich kann es nicht sagen. Lässt er mich für verrückt erklären? Steckt er mich zu den Noioniten? Oder wird er mir helfen, die anderen zu überzeugen, dass meine Geschichte war ist? |
Eintrag vom 15. Rahja 1015 BF
Heute war die große Versammlung. Ucuriel und seine Expedition sind zurück. Der Magister und die Magistra der beiden weißen Akademien sind jedoch nicht hier gewesen.
Wie erwartet lief die Besprechung chaotisch wie auch das letzte Mal. Alle riefen durcheinander, Amando Laconda da Vanya musste einige Male zur Ruhe mahnen. Vor allem den ehrenwerten Ucuriel Jago. Er war wütend, denn seine Expedition verlief alles andere als gut. Auch sie wurden von schlimmen Alpträumen geplagt. Fünf Todesopfer hatten sie zu beklagen. Doch herausgefunden haben sie nichts. Dann waren wir dran zu erzählen. Aber nur wenige wollten uns glauben. Als Ketzer wurden wir beschimpft. Und dann sagte Joela auch noch, dass Borbarad zurückkehren würde. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Warum war sie auch so töricht und hatte den Namen des Bethaners erwähnt?! Schlimm genug, dass man uns so schon keinen Glauben schenkte. Ich versuchte zu beruhigen, doch als ich sagte, dass wir einen Praioseid darauf schwören würden, wurde es nur noch turbulenter. Was uns denn einfiele, einfach so etwas zu verlangen. Welch Frevel das sei an den Geweihten dieser Kirche. Ob wir der Ansicht seien, dass sie Wahrheit und Lüge nicht auseinander halten könnten. Egal was wir sagten, es machte die Lage nur noch schlimmer. Irgendwann waren einige sogar der Ansicht, dass wir auf dem Scheiterhaufen brennen sollten! Häresie und Ketzerei warf man uns vor! Ich war kurz davor irgendeinen bösen Spruch auf diese Unwissenden zu schleudern! Zu unserem Glück schritt Amando Laconda da Vanya schließlich ein. Sofort wurde es still. In seinem Urteilsspruch meinte er, dass alles genau untersucht werden müsse. Alle sollten stillschweigen bewahren über das, was hier passiert ist. Vorsichtig sollten wir sein mit dem, was wir sagen. Doch dann durften wir gehen. Sehr zum Unwillen einiger anwesenden Geweihten. Ich bin erleichtert. Wir werden morgen zurück nach Baliho reisen. Hoffentlich ist Vater Corvus noch da. Aber ich glaube fast, dass er zurück nach Brokscal gegangen ist. Ich vermisse ihn als Gefährten, ich könnte jemanden gebrauchen, der mir zuhört und mir hilft, dieses schreckliche Erlebnis zu verarbeiten. |