Epistula prima
Verehrteste Indra,
ich habe mit einem wahren Sammelsurium gegensätzlichster Emotionen jede deiner Zeilen tief in mea memoria gebrannt, durch unzähliges Lesen jeder einzelnen. Ich bin von großer Dankbarkeit erfüllt, dass du mir mit deinen Epistolae die Möglichkeit gibst eure stetige Progression, sowie auch die meines geliebten Bruders, zu verfolgen. Ihr seid viel unterwegs, sodass ich deine ersten beiden Schreiben sukzessiv in chronologischer Abfolge hier beantworten will, da ich es doch nur an unsere Heimatstadt adressieren kann. Da meine Zeit für private Aktivitäten durchaus beschränkt ist, will ich mich auf die wichtigsten Punkte in Form einiger Consilia fokussieren.
Mit ein wenig persönlichem Bedauern erfuhr ich, dass ich Lumin von Ehrwald nicht treffen konnte. Das darauf folgende Drama auf Trollpfortz habe ich jedoch gerne ausgelassen, da mir der Tod des Räubers bei Arras de Mot noch immer den Schlaf in so mancher Nacht raubt. Zwar mache ich mir gewisse Probra, weil kein Heiler zugegen war als er gebraucht wurde, jedoch weiß ich, dass meine Consilia gegen die Verwicklungen des Herrn der Rache wirkungslos gewesen wären. Jedoch möchte ich es dennoch wagen dich an dieser Stelle zu ermahnen, denn seine direkte Manifestation erfolgte erst in einem Akt der Gewalt, den ihr wohl folgend dem Usus der klerikalen Judikation zugelassen hattet. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass gerade ein heilige Queste sich als Weg des Friedens anbietet und ich möchte dich ermuntern, dass du diesen annimmst in deinem Herzen und mit deinen Gefährten teilst. Dies stählt nämlich auch den Geist gegen den schleichenden Geifer des reißenden Rächers! Es gibt zudem eine arkane Alternative zur Dedikation dämonischer Korruption, dich ich dir an jenem Punkt durch meine Abwesenheit leider nicht facilis accessu war.
Der Bericht um die finanziellen Probleme, die sich in Fasar ergaben, veranlasste mich ein Codicillus an den Schatzmeister des Konvents von Salza zu verfassen. Ich bat entgegen meines Wissens um die übliche Praxis, dass ich dir einen Teil der Gelder, die für meine Investigationen bestimmt sind, zugänglich machen darf. Bitte verzeiht meine fast impulsive Handlung, die auch die Reputation eurer Namen beeinflussen hätte können. Da ich jedoch verständlich machen konnte, dass es aus meiner persönlichen Sorge und auf eigene Initiative erfolgte, sah der Zuständige es als ausreichend mich zu Ermahnen. Schlussendlich müssen wir uns alle in Praios Namen der Ordnung unterwerfen und demütigen, auch wenn ich glaube, dass die Queste euch diesen Umstand permanent ob oculos führt.
In meiner bescheidenen und wohl auch unbedeutenden Opinia erscheint es mir zu gleichen Teilen mysteriös, wie auch luctuos, dass unser Herr Praios – gepriesen sei sein Name – mich für seine heilige Queste als minder qualifiziert erwogen hat. Dennoch ist es nicht mein Platz zu klagen, da jeder ob seiner eigenen Res Gerit beurteilt wird. Zudem offerierte er mir in seiner Gnade eine andere Abdication, die mehr meiner privaten Passion entspricht und mich sogar contra Voluntas mea – dem auch ich leider bisweilen mehr Gewicht verleihe, als gut ist - in der hierarchischen Struktur der Gilde aufsteigen lässt. Ich möchte dich jedoch nicht mit den Details der internen Abläufe hier langweilen, sodass ich das einfach in wenigen Worten subsummiere: Es fiel mir zu einen eigenen Forschungszirkel um eine potentielle Metoda Curativa einer besonderen Manifestation einer infektösen Variola zu leiten, die in einigen Jahren bei hoffentlich eintretendem Erfolg mit einem Lehrstuhl honoriert werden soll. Eine motivierte Gruppe junger Adepten aus allen Teilen des Reiches auxiliert dieses Vorhaben. Besondere Freude habe ich an der Kooperation mit meinem einstigen Schüler Zolotjev Velshebnyy aus Norburg, dessen Fähigkeiten in der arkanen Curatio meine langsam aber sicher übersteigen.
Wie du den letzten Zeilen sicher entnehmen konntest, habe ich somit schweren Herzens akzeptiert, dass mein Platz in prope Futurem permanent hier sein wird, statt an eurer Seite. In Conclusio möchte ich dir noch einmal danken für alle deine Epistola und hoffe, dass sowohl meine Consilia ihrer auxilierenden Intention gerecht werden, als auch mein Bruder unter deiner Leitung den Platz in der weltlichen Ordnung zu erkennen lernt.
Möge das Licht des Herrn dir deinen Weg weisen
Frater Anconitae Godwyn Greynrindt aus Nembutal