Wieder vereint
| Eindrücke Übersicht | |
|---|---|
| Chronik | Kapitel |
| ??? | Die Welt der Menschen |
| ??? | Dem Fluss entlang |
| ??? | Durch den Wald |
| ??? | Ein Gespräch unter Freunden |
| ??? | Abschied |
| ING 1015 | Ancoron |
| ING 1015 | Wieder vereint |
| RAH 1015 | Kampf im Albtraum |
| TRA 1016 | Das Mal |
| Es ist seltsam, wieder in der Welt zu sein, die sich die Menschen aufgebaut haben. Wieder ist nichts von Ruhe und Harmonie zu fühlen. Wieder ist alles laut und geschäftig. Und die Gerüche sind einmal mehr kaum auszuhalten. Beinahe hatte ich vergessen, wie es gewesen war. Immerhin war es das erste Mal, seit ich Joela verlassen hatte, dass ich wieder zurück in diesem… Ameisenhaufen war.
Auf meinen Reisen zu den Stätten der Wächter war ich wohl immer wieder Menschen begegnet - die Menschenjäger, die gerade Beute gemacht hatten, der taubrawra und die Thorwaler unter Phileasson, die ich zusammen mit Torben begleitet hatte – doch hatte ich es immer vermieden mich auf ihr Sein einzulassen und war immer so schnell wie möglich verschwunden. Auch sonst hatte ich die Welt der Menschen vermeiden können, obwohl immer quer durch die Länder gewandert war, die sie zu besitzen glaubten. Oft hatten sie mich nicht bemerkt – das Licht der Sterne war genug für meine Reise gewesen, und ich benötigte keine Dunkelheit für den Schlaf – und wenn doch, war Dhawyn zu schnell gewesen. Immer wenn ich auf meinen Reisen Menschen begegnet war, hatte ich nur Kampf und Schmerz erfahren. Nun, manchmal war es auch die Schuld der fialgra gewesen, der schwarzpelzigen Feinde. Mit diesen war es aber immer leichter gewesen. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass sie Feinde waren. Nun jedoch musste ich wieder ein Teil ihrer Welt werden, sichtbar für sie werden und mit ihnen sprechen. Immerhin hatte ich nicht gewusst, wo die Stadt Baliho lag. Wie immer war dieses Volk seltsam. Wenn ich ihnen begegnete machten sie seltsame Zeichen oder spuckten über ihre Schulter. Andere bedeckten die Augen ihrer Kleinen und schlossen selbst ihre Augen. Wieder andere hielten mir die Zeichen ihrer Götter entgegen. Warum weiß ich noch immer nicht. Einmal war sogar eine Frau zu mir gekommen. Sie hatte mir einen Beutel voll mit Zucker gereicht und mich gebeten, ihr Dorf von Unglück zu verschonen. Ich hatte schon vorher gewusst, dass diese Menschen unruhig und ängstlich waren. Ich hatte aber geglaubt, dass auch sie das Anbrechen des letzten Sommers fühlten. Doch in diesem Augenblick hatte ich erkannt, dass ich der Grund für ihre Angst war. Von da an näherte ich mich Menschen noch vorsichtiger und achtsamer als zuvor, obwohl ich mir nicht erklären konnte, was so schrecklich an mir war. Kaum ein anderes Gefühl kann wohl so schnell Feindschaft hervorrufen wie Furcht. Trotzdem konnte ich einmal einen scheinbar vernünftigen Menschen, der mir endlich Auskunft geben wollte. Als ich ihn jedoch anlächelte, machte auch dieser die Zeichen, die ich schon zuvor gesehen hatte. Mir jedoch war es nun gleich, da ich nun mein Ziel kannte. Schnell trug mich Dhawyn an die Tore von Baliho. Dort verabschiedete ich sie. Es genügte, wenn nur einer von uns die Stadt betrat. Innerhalb der Mauern der Stadt musste ich mich sofort dem nächsten Hindernis stellen. Wie sollte ich Ginaya unter all diesen Menschen finden. Ich versuchte zuerst, einen Ruf an sie zu richten, doch erhielt ich keine Antwort. Anscheinend hatte sie vergessen, zu hören. Auf meinen Suchen hatte ich nicht mehr Erfolg. Entweder sagten mir die Menschen gar nichts oder dass sie nicht wüssten, wen ich meinte. Natürlich begleiteten ihre Worte oder ihr Schweigen immer irgendwelche Zeichen. Einen kurzen Schimmer von Hoffnung hatte ich, als ich erkannte, dass sehr viele Priester von Sha in der Stadt waren. Alle machten sie ernste Gesichter und sahen besorgt aus. Diesmal auch, obwohl mich nur die wenigsten von ihnen bemerkten. Vielleicht hatten sie dieselbe Gefahr bemerkt wie Ginaya. Es hätte mich dann nicht überrascht, wenn sie mit den Priestern zusammenarbeitet hätte. Sie hatte in ihrem Brief geklungen, als wäre die Gefahr zu schrecklich, um ihr alleine zu begegnen. Doch der Priester, den ich fragte, wusste auch nichts über sie. Über die Gefahr selbst wollte er auch nicht sprechen. Ich war verzweifelt und setzte mich am Rande eines Platzes mit einem großen Baum in der Mitte hin, um zu überlegen, was ich nun tun sollte, um Ginaya zu finden. Einige Zeit später hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir: „Bist du das, Aridhel?“ Hinter mir stand Ginaya. Sie hatte mich gefunden. Wir hatten einiges zu erzählen, obwohl ich ihr nur das Nötigste von meinen Reisen erzählte. Wer wusste schon, wozu sie die Neugier der Menschen antreiben würde? Die Festungen waren nicht mehr sicher. Nicht für Elfen und schon gar nicht für Menschen. Außerdem sollte das Geheimnis um sie eines bleiben, bis sie vielleicht wieder benötigt wurden. Sie selbst und ihre Familie hatten viel unter den Orks erleiden müssen. Ich denke, sie mag die fialgra nun noch weniger als wir fey’e. Trotzdem hatte sie sich nicht aufhalten lassen und war zu einer weiteren Akademie gegangen, wo sie noch mehr gelernt hatte. Nun, wie gesagt, sie war schon immer sehr wissbegierig gewesen. Als ich sie aber nach ihrer Verbindung mit Grim fragte, dem einzigen wirklich schönen Erlebnis, dass sie in all den Kreisläufen von nurda und zerza erfahren hatte, wurde sie ernst und lenkte unser Gespräch in andere Bahnen. Ich machte mir nun große Sorgen. Ich glaubte nicht, dass ihr Verhalten ein gutes Zeichen war. Ich hoffte nur, Grim ging es gut. Ihr Schweigen aber verbot mir, mehr zu tun, als zu hoffen. Mit Ginaya an meiner Seite fiel es mir nun leichter, mich in der Menschenwelt und dieser Stadt im Besonderen zurechtzufinden. Wie zuvor war sie wieder einmal meine „Fremdenführerin“, als sie mir die Gebräuche und das Verhalten ihres Volkes genau, wenn auch nicht sehr geduldig, erklärte. Ihre Unrast war beinahe wie ein Schrei. Hörbar für alle, die sie kannten. Nur ein paar Tage später kam Torben in die Stadt. Ich freute mich, den großen Thorwaler Menschen wieder zu sehen. Auf unserem gemeinsamen Zug für ein höheres Kopfgeld von Phileasson – das werde ich wohl nie verstehen – und später gegen die fialgraa hatte ich ihn schätzen gelernt. Von all meinen Gefährten verstand dieser wohl am besten, was es bedeutete, von zu Hause und der Sippe wegzubleiben. Ich hatte es in seinen Augen gesehen, als er mir von seinem achten Kind erzählt hatte, obwohl ich im ersten Moment über unsere Ähnlichkeit nicht nachdenken hatte können. Zu fremd war mir der Gedanke von acht Kindern von nur einem Paar erschienen. Es waren inzwischen zehn geworden. Telora!?! Die Tage in der Stadt waren noch seltsamer gewesen, als in all den anderen Städten, die ich gesehen hatte. Oft waren ganze Herden der Tiere, die die Menschen, ihren eigenen Worten nach besaßen. Wenn ich ein Bewahrer wäre, hätte ich sie gefragt, ob sie derselben Meinung waren, wie ihre „Herren“. Auch gegenseitig behandelten sich die Menschen nicht gerade freundlich. Einmal war ein schwarzgekleideter Mensch in unser Gasthaus getreten und hatte dort einen anderen Menschen misshandelt und mitgenommen. Keiner hatte etwas dagegen unternommen. Auch ich nicht. Was gingen mich die Grausamkeiten an, die die Telora einander antaten? Noch während ich das gedacht hatte, hatte ich bemerkt, dass ich aufgesprungen war. Mit den Händen an meinen Schwertern. Ruhig zwang ich mich selbst, mich wieder zu setzen. Ich musste lächeln. So gleich waren mir also die Schicksale der Telora. Zu unserer Überraschung trafen wir auch Menschen, die wir kannten: Die Familie da Merinal. Freudig erzählten sie uns von der Verbindung von Shira und Colon. Also hatte der Schmerz und die Angst, die wir erlitten hatten, einen Sinn gehabt. Leider war jede Hilfe für die jüngste der da Merinals zu spät gekommen. Ihr Geist war durch den Schrecken zerstört worden und nur wenig später war ihr Körper ihrem Geist gefolgt. Ich hoffte, sie hatte irgendwo Frieden gefunden und war dorthin gekommen, wo ihre Bestimmung lag. Dass so etwas nicht sicher war, hatte ich am eigenen Leib erfahren müssen. Doch sprach ich meine Befürchtungen nicht aus. Zu groß war der Schmerz der Familie noch immer gewesen. Ich hatte nicht noch eine weitere Bürde hinzufügen wollen. Die Familie wurde von einer Priesterin der Gänsegöttin begleitet. Sie war der erste fremde Mensch, der nicht zusammenzuckte, wenn er mich sah. Ich hatte unter Menschen selten solche Freundlichkeit und Lebenslust gefunden. Wir sprachen etwas miteinander, dann verabschiedeten wir uns. Ginaya war zwar freundlich zu den Menschen gewesen und hatte sich ehrlich über die Verbindung der beiden gefreut, doch schien sie diese zu sehr an ihre eigene zu erinnern. Kurzentschlossen nahm ich sie mit. Was sie benötigte war Ruhe, um selbst Ruhe finden zu können, und ein freundliches Ohr, dass ihr half, sich ein wenig von ihren Sorgen zu lösen. Unser Wandern schien Ginaya wirklich ein wenig geholfen zu haben, obwohl ich mir sicher bin, dass ihr ein Bewahrer besser als ein Thara helfen hätte können. Am nächsten Morgen trafen wir endlich Joela. Wir waren alle glücklich, sie wieder zu sehen. Vor allem ich. Wie versprochen, hatte ich über Joela gewacht, indem ich immer wieder mein Sorgenlied für sie gespielt hatte. Ich war immer mit ihr verbunden gewesen. Doch war die Freude des Wiedersehens vielleicht dadurch noch größer. Endlich konnte ich wieder das Funkeln ihrer Augen sehen, ihr Lachen hören, sie umarmen. Nachdem ich sie losgelassen hatte, fiel mir auf, dass sie sich von meinen Gefährten am meisten verändert hatte. Ihr Gesicht war schärfer, ihre Augen ernster und ihr Körper runder geworden. Sie war anders geworden, aber noch immer dieselbe geblieben. Auch sie strahlte, als sie mich sah. Trotzdem war in ihrem Kuss etwas gewesen, was vor unserer Trennung nicht da gewesen war. War es Angst gewesen? Ich hoffte nicht. Vor allem nicht, wenn ich der Grund dafür war. Joela und Ginaya wollten sofort einen alten Freund besuchen gehen. Noch jemand, der Angst vor mir hatte. Nur dort kannte ich den Grund. Ich denke nicht, dass mir Corvus jemals verzeihen wird, dass ich die Anderswelt gesehen und wieder zurückgekehrt war. Aber ich werde ihm wohl auch nicht verzeihen, dass er nicht verstehen konnte, warum ich froh war, zurück zu sein. Es war wirklich nicht gut, wenn Wesen, die ihr Sein beendet hatten zurückkehrten. Doch viel schlimmer war es, wenn sie am falschen Ort gefangen waren. Noch immer fühlte ich eine Kälte in mir, wenn ich mich daran erinnerte. Torben und ich gingen zu dem Jahrmarkt. Dort gab es viele Spiele, die man spielen konnte. Beim Bogenschießen sah mich Torben fragend an, doch wäre es eine Verschwendung von Pfeilen gewesen. Wem sollte ich beweisen müssen, dass ich besser mit dem Bogen umgehen konnte, als er oder sie. Es genügte, dass ich mich selbst versorgen konnte. Torben selbst nahm beim sonderbarsten Spiel teil, dass ich jemals gesehen hatte. Man sollte soviel trinken, wie man konnte. Als ich an dem Getränk roch, graute mir. Allein bei der Vorstellung, einen dieser riesigen Krüge voll mit dieser scharfen Flüssigkeit zu trinken, drehte sich mir der Magen um. Torben hingegen trank einen Krug nach dem anderen. Doch war er nichts gegen seine Gegner. Als er unter dem Tisch lag, tranken diese noch munter weiter. Ich rollte den bewusstlosen Menschen hervor und hob ihn auf. Wieder bemerkte ich die Blicke der Menschen. Sie schienen erstaunt zu sein, dass ich den schweren Menschen tragen konnte, der so viel schwerer war als ich, doch waren meine Arme und Beine mit meinem mandra so verbunden, dass sie stark genug für Torben waren. Als ich Ginaya fand, konnte sie ihm zum Glück helfen, obwohl ich denke, dass Hilfe nicht das war, woran sie dachte, und nicht das, was Torben wollte. Manchmal bin ich froh, dass ich nicht alles verstehe, wenn es um meine Freunde geht. Der Abend jedoch war schöner gewesen. Joela und ich saßen noch lange beisammen. Dort konnte ich ihr endlich das Geschenk Miriamels überreichen. Einer geliebten Freundin von mir und anscheinend auch von Joela. Wenn ich bedenke, was sie auf sich genommen hatte, um dieses Geschenk vorzubereiten. Die beiden hatten sich kennen gelernt, als Joela bei meiner Sippe gewesen war. Noch immer kann ich mich erinnern, als sie mir das streng riechende Päckchen überreicht hatte. Sie hatte mir gesagt, dass sie diesmal nicht um mich fürchten müsste, da ich nun nicht mehr alleine war, wenn ich fort war. Joela öffnete das Päckchen. Es enthielt eine Pflanzenmischung, die Hunde fernhalten sollte. Miriamel musste Joela wirklich lieb gewonnen haben. Meine Augen begannen sofort zu tränen, als mich der Geruch der Kräuter erreichte. Den restlichen Abend erzählten wir uns Geschichten. Dabei sagte sie mir auch, dass sie mein Sorgenlied gefühlt hatte. Ich denke, sie hatte sich gefreut, dass ich immer wieder an sie gedacht hatte. Ich war erleichtert. Also hatte ich mich getäuscht, als ich Angst bei ihr gefühlt hatte. Ich hing diesem schönen Gedanken noch nach, als sie mir mit zitternder Stimme von einem ihrer Träume erzählte. Es war, als wäre ich wieder zurück in der Festung gewesen. Mit zerbrochenem Mandra und zerbrochenen Träumen. Koran, der versuchte, mich mit seinen Fäusten wiederzubeleben. Als ich an mein Gesicht dachte, das in den Tagen danach von alleine heilen hatte müssen, zuckte ich zusammen. Einen Zwerg als Freund zu haben, war fast so gefährlich, wie sein Feind zu sein. Wieder dachte daran, wie ich gefühlt hatte, dass mich nur noch wenig an diese Welt gebunden hatte. Damals waren die Schläge zu wenig gewesen. Doch eine verzweifelte Stimme hatte mich zurückgerufen, und ich war mit der Erinnerung an grüne Augen aufgewacht. Ich hatte schon vorher vermutet, wer mich vor einem weiteren Tod errettet hatte, doch nun wusste ich es mit Sicherheit. Während unseres Gesprächs hatte Ginaya still vor sich hingebrütet. Ich konnte sie nicht länger leiden sehen. Also bot ich ihr von mir aus an, für sie das Weltenlied nach Grim zu befragen. Zusätzlich würde mir meine Musik helfen, selbst ein wenig Ruhe zu finden. Ich hatte nicht gewusst, dass sich Menschen und Elfen so nahe kommen konnten. Als ich Ginaya sagte, dass Grim wohlbehalten und freudig bald kommen würde, sah ich soviel Erleichterung auf ihrem Gesicht, dass ich mich fragte, warum ich so lange gewartet hatte, ihr auf diese Weise zu helfen. Ich wusste nun, dass sie eine ruhige Nacht haben würde. Am nächsten Tag erfuhren wir über einen Marktschreier, dass irgendein Delian nach Leuten suchte, die einen Auftrag für ihn übernehmen wollten. Mehr aus Neugier als aus wirklichem Willen diese Leute zu sein, stellten wir uns an. Als uns der Mensch erzählte, dass er Korobar jagte, wurden wir jedoch hellhörig. Ginaya hatte uns von diesem Taubrawra erzählt. Wir holten auch sie, doch ergab unser Gespräch sehr wenig. Delian wollte uns nicht, er wählte eine andere Gruppe, die sich die „Formidablen Sechs“ nannte. Nun ich war nicht traurig darüber. Ich war noch immer entsetzt, dass die Menschen ein Mittel gefunden hatten, um Mandra aus dem Körper zu brennen. Wieder musste ich mich an die Zeit erinnern, als auch ich mein Mandra verloren hatte. Es war ein entsetzliches Gefühl gewesen, so als hätten mir beide Arme und die Luft zum Atmen gefehlt. Ich hoffte, dass ich niemals wieder Vergleichbares erleben musste. Am nächsten Tag gingen wir am Abend zu einem Schautanz, von dem uns die Familie da Merinal erzählt hatte. Dort trafen wir auch die Priesterin Linai wieder. Sie schien die Aufführung zu genießen und bot uns sogar Plätze an ihrem Tisch an. Der Tanz selbst war sehr schön gewesen, doch hatte die Musik der Menschen wieder einmal nichts erzählen können. Sie war leer gewesen. Auf einmal war Linai zusammengebrochen und hatte auf einmal Brandverletzungen aus dem Nichts erhalten. Dabei hatte sie von Hitze und Feuer geschrieen. Als sie wieder zu sich gekommen war, berichtete sie uns dass eine Eidechsen-Priesterin verbrannt worden war. Linai hatte einen Wahrtraum gehabt. Natürlich waren meine Gefährten sofort dafür, dass wir dieses Rätsel gemeinsam mit der Priesterin aufklären sollten. Diesmal musste auch ich nicht überzeugt werden. Einem Wahrtraum musste man folgen. Darum fragte ich Linai, als wir ihr von unserer Entscheidung berichteten, ob sie ein Pferd wüsste, dass mich tragen wollte. Bei so einer langen Reise konnte ich nicht zu zweit mit Joela auf einem Pferd sitzen und zusammen mit meinen Gefährten konnte ich Dhawyn nicht so schnell laufen lassen, wie sie gewollte hätte. Beinahe zu meiner Überraschung sagte sie zu. Ich begann, sie zu mögen. An einem dieser Abende war ich wieder mit Joela alleine. Auf einmal sprachen wir über das, was mir Sarastro erzählt hatte. Noch immer bin ich ihr mit all meinem Sein dankbar, dass sie mein Geschenk so sehr geehrt hatte, obwohl, wie ich von ihrem Bruder erfahren hatte, sie Musikinstrumente hasste. Mein Geschenk war wertvoll geworden. Für uns beide. Schnell waren wir auch zu dem Streit angelangt, den ich mit ihrem Bruder gehabt hatte. Ich war nun froh, dass er mich abgehalten hatte, auf die Jagd zu gehen. Mein Handeln hätte Joela wahrscheinlich noch mehr verletzt. Sei es durch die Tat selbst oder durch ihre Folgen. Trotzdem, als sie mir erzählte, was sie erlitten hatte, fühlte ich wieder zerza in mir wachsen. Niemals hätte ich gedacht, dass selbst Menschen zu solchen Taten in der Lage waren. Diesem Volk konnte man anscheinend alles zutrauen, im Guten wie im Schlechten. Um mich selbst nicht zu verlieren folgte ich Ancorons Worten, dass die Aufgabe eines Tharas nicht sei, Feinde zu töten, sondern Tod und Schmerz von der Sippe fernzuhalten. Irgendwann in diesen Tagen ist auch Grim eingetroffen. Er erzählte unzusammenhängende Geschichten von seinen Erlebnissen auf der Insel, die die Menschen Maraskan genannt haben. Zusammen konnten wir endlich unser weniges Wissen zusammenfügen. Es schien als hätten die Prophezeiungen der Menschen, die Träume meines Volkes und die Erlebnisse von Grim etwas miteinander zu tun. Alles schien auf einen dunklen Taubrawra namens Borbarad hinzuweisen. Ich denke, Ancoron erzählte mir einst von ihm. Auch er musste wohl einst diesen Namen in der Menschenwelt gehört haben. Ob dieser Dunkle derjenige war, den der Weise als den Badocen Menschen bezeichnet hat? Jenen, der jeden Wald zerstören würde, alles Gras und alle Seen. Der Töter der Leiber und der Verschlinger der Seelen? Falls dem so war, würde Schlimmes auf unseren weiteren Wegen warten. Wir waren am Tag unserer Abreise noch nicht weit gekommen, als uns Menschen in weißen Rüstungen aufhielten und uns zu ihrem Lager brachten. Dabei ließen sie uns keine Wahl. Sie waren sich wohl sicher, dass wir ihnen nicht entkommen konnten. Ich bezweifle aber, dass Menschen einen fey in wilden Wäldern und Wiesen fangen könnten. Doch war ich an meine Gefährten gebunden. Somit war auch mir eine solche Wahl verwehrt. Im Lager der Menschen erfuhren wir – zumindest ich; an dem Schrecken der anderen konnte ich erkennen, dass sie sehr wohl wussten, wen sie vor sich hatten – dass es Bannstrahler, die Kämpfer der Sonnenpriester, waren, die uns gefangen genommen hatten. Ihr erster Anführer, Amando, machte aber einen recht freundlichen Eindruck, während der Ucurian, der zweite, recht barsch in seinem Verhalten war. Beide befahlen uns aber mehr, als dass sie uns baten, eben unseren Auftrag weiter auszuführen. Aus freiwilliger Hilfe war Zwang geworden. Also waren die Geschichten, die man sich bei uns über die Praiosgeweihten, wie sie sich nannten, doch wahr. Schweigsam ritten wir weiter. Wann immer wir Menschen trafen, erzählten sie uns von einem schwarzen Mann. Ginaya und Joela waren überzeugt, dass es nur Korobar sein konnte, den sie meinten. Als wir schließlich zu einem Haus kamen, dass uns ein kleiner Menschenjunge gezeigt hatte, als wir ihn getroffen hatten, trafen wir neben seinen Bewohnern, freundlichen Menschen, eine Priesterin der Löwengöttin. Ich erkannte sie sofort. Leudalia hatte ähnlich ausgesehen. Der rote Löwe war auch bei Ayla ein Zeichen gewesen. Zum Glück schien diese Geweihte nichts gegen Elfen zu haben. In letzter Zeit hatte ich genug Anfeindungen erfahren. Bald nach dem Essen legten wir uns im Stroh des zweiten Hauses zur Ruhe. In der Nacht wurden wir von lautem Geschrei geweckt. Es war schrecklich anzuhören. Kein Wunder, dass alle von uns sofort aufgewacht waren. Schnell hatten wir die Quelle gefunden. Es war Ayla, die sich anscheinend in Schmerzen wand. Ihre Finger waren in ihren Körper gekrallt. Sie hatte sich schon stark verletzt. Unter ihr hatte sich eine Blutlache gebildet. Ginaya ließ sie erstarren, doch konnten wir uns nicht sicher sein, dass die Geweihte nicht weiterhin starb. Darum schlug ich vor, es mit den Liedern meines Volkes zu versuchen, und wirklich schien der Heilschlaf, den ich ihr brachte zu wirken, denn beinahe sofort schlief sie friedlicher. Wir jedoch hielten Wache über ihr. Wir fesselten sie sogar zu ihrem eigenen Schutz. Bald erwachte die Priesterin und war sehr erstaunt, uns in ihrem Zimmer zu finden. Noch viel erstaunter war sie, als sie erkannte, dass sie gefesselt war. Wir erzählten ihr von diesem Alptraum, worauf sie entsetzt, aber nicht sehr überrascht reagierte. Dennoch schien sie erschöpft zu sein. Darum bot ich ihr an, ihr noch einmal mit meinem Heilschlaf zu helfen. Ich war sehr erstaunt, als sie zusagte. Ich denke nicht, dass Leudalia zugestimmt hätte. Aber vielleicht war diese Priesterin auch nur sehr müde gewesen. Sha war noch nicht lange aufgegangen, als wir schon weiterzogen. Immer wieder hörten wir vom schwarzen Mann. Einmal sahen wir ihn auch. Er war aufgehängt worden. Eine schreckliche Bestrafung, wie sie neben fialgra und isdagra wohl nur Menschen eingefallen wäre. Einmal in Baliho hatte ich sogar zusehen müssen, wie zwei Menschen so bestraft worden waren. Und das nur, weil sie hungrig gewesen waren und ein Tier geschlachtet hatten. Schnell zogen wir weiter. Der Anblick war schrecklich gewesen, doch nicht so schrecklich wie der Geruch. Am Abend zog ich es vor alleine zu sein und schlief außerhalb der Stadt in einem der gastlichen Bäume. Der Schlaf war nicht sehr erholsam gewesen. Da ich alleine gewesen war, hatte nur mein Körper schlafen können. Doch hatte ich schon oft mit wachem Geist geschlafen. Viel schlimmer jedoch waren die Träume, die mich in dieser Nacht besuchten. Ich hatte große Macht gehabt, und viele waren auf meinen einfachen Wunsch hin gestorben. Ich hatte an Macht zugenommen, während meine Feinde entzweit und alleine gewesen waren. Um mich hatte es nur Unfreie gegeben, bis nur noch ich und eine kahle Welt übrig geblieben waren. Als ich erwachte, war mein Herz schwer, obwohl ich große Leere in mir fühlte. Hatten sich so die Alten kurz vor ihrem Fall gefühlt? Hatte sie das Licht von Sha nicht mehr glücklich machen können? Hatte die Welt alle Farben auch für sie verloren? Ich werde es wohl nie wissen. Ich selbst hatte mich in jenen Momenten so gefühlt. Zum Glück bemerkten meine Gefährten bald, dass ich alleine sein wollte. Nur Joela blieb bei mir. Alleine ihre Anwesenheit half mir ein wenig. Darum konnte ich mich überwinden, ihr von meinem Traum zu erzählen. Joela versuchte mich zu trösten, und wirklich schien der Himmel wieder blauer zu werden. Trotzdem konnte ich fühlen, dass sie einen Teil ihres Selbst zurückhielt. Als würde sie fürchten, dass er verletzt werden würde. Von mir oder durch mich. Es tat mir weh, doch war ich froh, dass sie mir dennoch beistand. Was meiner Laune auch nicht half, war, dass wir durch einen großen Riss in einem Berg gehen mussten. Ich hatte nichts gegen Berge. Sala Mandra war wunderschön mit all seinen Wäldern, den Flüssen und schneebedeckten Bergspitzen. Doch ich mochte es nicht durch Berge zu gehen. Überall diese Felsen, als lege ein Gewicht auf einem. Zum Glück standen die Wände der Schlucht weit genug auseinander, dass ich atmen konnte. Trotzdem merkte ich, dass ich einen Teil meines Selbst verloren hatte. Hätten meine Freunde nicht mit dem Aufbruch gedrängt, hätte ich mich wohl auf die Suche danach gemacht. Die Melodien hätten mir den Weg gewiesen. Doch selbst in meiner Verlorenheit spürte ich, dass wir uns beeilen mussten. Somit hatte ich mich nicht gewehrt. Dass ich aber nicht im Einklang mit der Welt war, bewies ich, als ich trotz des schwierigen Pfades auf dem Pferd sitzen blieb, das mich bis hierhin getragen hatte. Fast wäre das unser Untergang gewesen, denn eine Unachtsamkeit von uns beiden, lies die Stute stolpern, worauf sie in Richtung des Abgrunds zu rutschen begann. Zum Glück konnte ich rechtzeitig abspringen und sie solange mit meiner Kraft unterstützen, bis sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Nach diesem Schrecken wollte ich unser beider Leben nicht noch einmal riskieren und ging neben ihr her. An einer Biegung hörten wir einen schmerzerfüllten Schrei. Es war ein Reh, das wohl weniger Glück als meine Trägerin und ich gehabt hatte. Es war abgestürzt und auf die Felsen gefallen. Sein Leid ließ uns allen keine Ruhe. Ich war froh, dass Grim bereit war, dem Leiden ein Ende zu bereiten. Ich selbst wollte mich nicht überwinden, zerza in meinen Geist zu lassen und den erlösenden Pfeil zu senden. Doch während er zielte, gab der Boden unter ihm nach und er fiel tief, zum Glück ins Wasser. Sofort waren Torben und Joela zur Stelle. Sie warfen beide Grim ein Seil zu und verhinderten damit, dass ihn die starke Strömung abtrieb. Als Grim am Seil hing, bemerkten wir, dass er keinen Knoten binden können würde. Sein Arm war anscheinend gebrochen. Darum begann Joela ohne zu zögern an den glatten Felsen hinabzuklettern, um ihm beim Binden des Knotens zu helfen. Zuerst war ich überzeugt, dass sie es schaffen würde. Ich hatte bis jetzt noch keine Wand gesehen, die für Joela ein Problem gewesen wäre. Doch als ich sah, wie sie einige Male beinahe abgestürzt wäre, bekam ich Angst um sie. Zwar war sie bei Klettern unsere Anführerin, doch konnte ich nicht zusehen, wie sie sich vielleicht verletzte, wenn ich es verhindern konnte. Außerdem sah Grim immer müder aus. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht dachte, dass ich ihr nicht vertrauen würde. Nachdem mein Mandra meine Arme und Beine klebrig gemacht hatte, kletterte ich hinab. Ich konnte nicht so gut Knotenbinden, wie Joela, aber es reichte, um Grim sicher ins Seil zu hängen. Nachdem die beiden Menschen oben waren, ging ich zum Reh. Nachdem ich versucht hatte, es ein wenig zu beruhigen und zu trösten, tötete ich es so rasch wie möglich. Es vertraute mir nicht und war in Panik gewesen. Mein Mandra verließ meinen Körper nur sehr selten. Darum hatte ich niemals gelernt mit unseren Freunden im Wald zu sprechen und zuzuhören. Einzig Dhawyn war mir nahe gewesen. Immer wieder hatte ich mich gewundert, warum immer sie gekommen war, wenn ich gerufen hatte. Nun, wahrscheinlich hatte sie mich von Anfang an gemocht. Das Reh würde aber seinen Platz finden. Ich nahm es mit und freute mich, dass wir heute gut speisen würden. Als wir weitergingen, wurde der Pfad immer schwieriger. Darum und, weil ich noch immer an meinen Traum dachte, stolperte ich diesmal und fiel selbst in den Fluss. Der Aufprall trieb mir die Luft aus meinem Körper. Ich konnte kaum atmen, mein Leib war von nasser Kälte umgeben und stand dennoch in Flammen. Meine Freunde hingegen hatten anscheinend aus ihren Erfahrungen gelernt, denn nur wenig später konnte ich nach einem Seil greifen. Ich wickelte es um mich und versuchte, die Schmerzen zu vergessen, die es meinem Bauch zufügte. Oben untersuchte mich Ginaya, dann spürte ich die heilende Berührung ihrer Hände, die mir den Schmerz nahm. Ich war ihr dankbar für die Seelenkraft, die sie mir geschenkt hatte, obwohl ich weiß, dass es für sie nur ein Werkzeug ist. Für uns jedoch ist es, als würden wir einen Teil von uns herschenken, damit die Schmerzen eines anderen gelindert werden. Vielleicht wird auch sie es eines Tages verstehen, was es bedeutet, Mandra durch jemanden strömen zu lassen, um ihn zu heilen oder zu kräftigen. Nun, sie ist eine große Heilerin, mit Händen und Seelenkraft. Eigentlich sollte sie es bereits verstanden haben. Vielleicht muss sie es sich nur noch in Erinnerung rufen. Zu allem Überfluss wurden die Wände immer schmäler, bis ich es nicht mehr ertragen konnte. Das Gewicht der Felsen schien mich zu erdrücken. Ich weiß nur noch, dass ich die Augen geschlossen hielt und mich auf Joelas Stimme konzentrierte, die mich führte und mir Sicherheit gab. Zum Glück kamen wir bald wieder zu einer weiten Stelle, worauf mich das Gewicht auf meiner Brust wieder verließ. Ich konnte mich wieder umblicken. Grim und Torben fehlten und die drei Menschenfrauen schienen zornig zu sein. Nachdem ich Menschen inzwischen recht gut kannte, fragte ich nicht. Außerdem wurden meine Blicke immer wieder auf die Stadt gezogen, die die Menschen an dieser Stelle errichtet hatten. Ich konnte es nicht fassen. Gab es überhaupt einen Ort, der den Menschen zu schrecklich oder zu schön für ihre Städte war? Alle Häuser waren in den Felsen geschlagen und mit hölzernen Stelzen abgestützt worden. Und so reihten sie sich aneinander, der Wand entlang. Kopfschüttelnd folgte ich meinen Gefährtinnen und der Priesterin Linai in Tavernen, bis wir unsere starken Freunde fanden. Nach einem kurzen Streit unter den Menschen und einer kurzen Rast wollten wir weiterziehen, als wir einen Zwerg sahen, der Probleme mit seinem Haus hatte. Er rief um Hilfe, da es anscheinend auseinander fiel. Mir war klar warum. Totes Holz wird niemals die Härte von Bäumen erreichen. Zum Glück für den Zwerg erklärte sich Grim bereit, zu helfen. Ginaya, Joela und ich beobachteten Grim, wie er in den eisigen Fluss unter ein seltsames Rad an der Seite des Hauses tauchte. Ginaya und Joela machten Scherze über ein Leiche, die sich im Rad verfangen hatte und nun vielleicht nach Grim greifen würde, bis Joela plötzlich aufsprang und so schnell sie konnte, zum See lief. Ich hatte gelernt, mich auf ihre Intuition zu verlassen, wenn es um Gefahren für uns alle ging. Nur sehr selten hatte sie sich geirrt. Es war der Sinn der Katzen, der sie immer auf ihren Füssen landen ließ und ihnen half, den Hunden zu entkommen. Darum folgte ich ihr so schnell ich konnte. Ich kam ans Ufer, nur um zu sehen, wie sie ins Wasser sprang und einen aufgewühlten Grim half, ans Ufer zu kommen. Dort erzählte er uns, dass ihm gerade das passiert war, worüber meine Freundinnen vorhin gescherzt hatten: Ein anscheinend Toter hatte nach ihm gegriffen. Nur wenig später sahen wir eine Leiche an der Wasseroberfläche treiben. Als wir sie herausholten, sahen wir, dass sie neben vielen Verletzungen und Verbrennungen auch eine tiefe Wunde im Kopf hatte. Dort sollte ein metallener Stift gesteckt haben. Während Ginaya wieder einmal „Untersuchungen“, wie sie es nannte, durchführte, folgte ich Joela in die Taverne. Besorgt sah ich Joela zu, wie sie zitterte. Das Wasser dieser Gegend war sehr kalt. Ich selbst fühlte mich auch nicht wohl. Es war wohl für uns beide Trost, als ich versuchte sie unter meinem Mantel zu wärmen. Wir hatten durch die Geschehnisse dieses Tages viel Zeit verloren und beschlossen deshalb, in der Stadt zu übernachten. Meine Gefährten konnten mich diesmal leicht überreden, bei ihnen zu sein. Wohin hätte ich auch gehen können? Außerdem hatte ich Angst davor, mich weiteren solcher Träume alleine zu stellen. Am nächsten Morgen wurden wir durch einen Schrei aus Ginayas und Grims Zimmer geweckt. Anscheinend hatten sie jemanden gesehen. Doch wir konnten niemanden sehen und finden. Grim und Ginaya waren nicht überzeugt und auch den ganzen Tag waren sie sehr seltsam. Sie schienen Dinge zu sehen, die es nicht gab und nie gegeben hatte. Doch auch der Rest von uns war angespannt. Irgendwie spürten wir alle, dass wir so schnell wie möglich zu unserem Ziel gelangen mussten. Dabei hilft es nicht, dass wir von diesen schrecklichen Träumen gequält werden. Doch ist es Linai, die am meisten leidet. Von Tag zu Tag, von Nacht zu Nacht wird sie schwächer. Irgendwie spürten wir alle, dass wir so schnell wie möglich zu unserem Ziel gelangen mussten. Als uns Menschen aufhielten, war ich deshalb der Erste, der die gelbe Metallscheibe hergab, die sie verlangten. Es lohnte sich nicht, dafür zu kämpfen, zu töten und zu sterben. Selbst Verletzungen konnten wir uns nicht erlauben, wo wir doch so schnell, wie möglich weitermussten. Meine menschlichen Freunde regten sich noch länger über den „Überfall“ auf. Nun, ich sehe keinen Unterschied zu dem „Zoll“, der auf unserer Reise verlangt wurde. Da hatten sie sich allerdings auch aufgeregt. Telora!?! Am Ende des Tages verbrachte ich wieder eine Nacht in einer Taverne. Wieder fiel es meinen Freunden leicht, mich zu überzeugen. Wenigstens waren nur sie in unserem Zimmer. Grim versperrte Tür und Fenster sorgfältig mit Möbelstücken, damit wir sicherer waren. Trotzdem wurden wir in dieser Nacht geweckt. Als ich aufwachte, sah ich Joela, die mit einem Wutschrei Torben attackierte. Zum Glück kam sie jedoch sehr schnell wieder zur Besinnung. Dann brach sie unter Tränen zusammen. Dankbar beobachtete ich Ginaya, wie sie sich liebevoll um unsere Freundin kümmerte, die voller Blut war. Anscheinend hatte sie sich selbst zerkratzt. Bedrückt gingen wir in das große Zimmer, wo wir unser Essen vom Wirt erhielten. Doch hatten wir alle uns zu wenig um Joela gekümmert, denn auf einmal sprang sie schreiend vom Tisch auf und rannte zu unserem Zimmer. Ich lief ihr hinterher, dort fand ich sie, wie sie verzweifelt versuchte, ihre Hände vom Blut zu reinigen. Als ich zu ihr kam warf sie sich in meine Arme und weinte bitterlich. Schweigend drückte ich sie an mich. Sehr oft sind Worte einfach zu ungenau und leer, als dass sie eine Bedeutung hätten. Auf unserem weiteren Weg begegneten wir zwei Menschen, die um einen Toten standen. Alle sahen jämmerlich aus. Aus irgendeinem Grund waren sie gefangengehalten worden und hatten fliehen können. Dabei hatten sie versucht, einen Mann, der anscheinend Korobar gewesen war, zu überfallen. Dass es eine schlechte Idee gewesen war, bewies ihr toter Freund. Für mich viel schlimmer war, dass Joela seltsam kalt zu den Fremden war. Anders als ich sie kennen gelernt hatte. Auch sonst war Joela seltsam. Einmal zeigte sie auf drei Raben und sagte, dass wir nun raste müssten, bis die Vögel weggeflogen waren. Nun es war ein schöner Brauch, doch war ich mir ziemlich sicher, dass es den Raben gleich war, ob wir gingen oder rasteten, solange wir sie in Ruhe ließen. Nun ich konnte sie nicht fragen und Torben enthob uns einer Entscheidung, als er sie verjagte. Joela war nicht sehr glücklich darüber und stritt sich deshalb mit ihm. Joelas seltsames Verhalten bestärkte mich in meiner Vermutung, dass etwas Mächtiges alles hier, auch uns, beeinflusste und Schrecken verbreitete. Darum entschloss ich mich, am Abend dieses Tages tharmandra zu singen und mein mandra durch meine Schwerter fließen zu lassen. Ich hoffte, dass sie so unsere Gruppe besser verteidigen würden. Zum ersten Mal sang ich Melodie außerhalb der Festungen. Um mir meine Aufgabe zu erleichtern verband ich mich mit der Harmonie der Welt, obwohl sie an diesem Ort bereits... Beulen erhalten hatte. Als ich mit meinen Schwertern zu meinen Gefährten zurückkehrte, wobei die Runen auf ihren Klingen nun leuchteten, erzählten mir diese, dass Joela für kurze Zeit verschwunden war. Sie berichtete uns, dass sie jemandem gefolgt war. Leider hatte sie die Spur verloren. Es war mutig, aber auch ein wenig dumm von ihr gewesen, einem möglichen Feind zu folgen. Beinahe wie erwartet, wurden unsere Gruppe wieder von Träumen heimgesucht. Joela, Ginaya und ich träumten davon, dass wir Götterdiener seien und zusammen mit anderen fielen, bis wir schließlich aufschlugen. Als wir von diesem grausamen Schmerz aufwachten, fühlten wir uns, als wären wir wirklich abgestürzt. Wir waren voller blauer Flecken und fühlten uns müde. Schweigend ritten wir weiter über die Steinstrasse bis wir an eine Schlucht kamen. Dort fehlte eine Brücke und so machten sich Grim und Torben daran, eine aus Bäumen zu bauen. Es tat mir weh, dabei zuzusehen, doch war ich zu müde, etwas dagegen zu tun. Schon bald führte eine gute Brücke über die Schlucht. Trotzdem war es schwierig für uns vor allem die Pferde über die Schlucht zu bringen. Eines stürzte sogar ab und verschwand mit einem verzweifelten Schrei. Leb wohl, Bruder! Mögest du hinkommen, wo du am glücklichsten bist. Als wir über die Brücke gingen, konnte ich einen Geruch im Wind auffangen, bei dem ich spürte, wie alles in mir aufschrie. Blut und Verderben konnte ich riechen. Nach unseren Erlebnissen, war ich mir sicher, dass ich es mir nicht eingebildet hatte. Eilig ritten wir los. Wir waren nicht weit gekommen, als ein Mann, Delian, auf einmal auf uns zulief, während ihm von hinter dem Hügel Geschosse folgten. Als er vor uns zusammenbrach, sahen wir auch schon seine Verfolger. Korobar und seine Diener. Menschen, die tot waren und trotzdem lebten, und zwei, die eigentlich Delians Helfer sein hätten sollen. Der Taubrawra, der auch auf einen lebenden toten Pferd saß, verlangte von uns, ihm Delian zu geben. Doch wir weigerten uns. Darum griffen uns seine Diener an. Ich konnte nicht einmal einen Schuss auf Korobar abgeben. Auch so verlor ich viel Zeit mit dem einen Gegner, der vor mir stand, da ich versuchte, den Metallstab aus seinen Kopf zu ziehen. Ich dachte, dass die Kraft, die ihn trotz seines Todes leben ließ, darin wohnte. Als es nicht gelang, bekämpfte ich ihn, wie ich einen wirklich lebenden Gegner bekämpft hätte. Als ich mich umblickte, sah ich, dass meine Gefährten auch ihre Gegner besiegt hatten. Schuldbewusst sah ich ihre Verletzungen. Wie viele hätte ich verhindern können, hätte ich mich mehr auf meinen Gegner konzentriert? Einer der zwei Menschen hatte das Gefecht überlebt. Die anderen jetzt wieder Toten verbrannte wir, damit sie nicht noch einmal aufstehen konnten. Der Mensch selbst war anscheinend von dem Magier verblendet worden. Noch immer erschreckt es mich, welche Formen das Taubra der Menschen annehmen kann, obwohl ich es bereits am eigenen Leib erfahren hatte. Wir ließen ihn gefesselt zurück. Weitere Spuren der Verwüstung warteten auf uns, als wir weiter zogen. Immer wieder konnten wir Tiere sehen, wie sie vor dem flüchteten, auf das wir zugingen. Selbst die Bäume sahen aus, als wären sie am liebsten davongelaufen, wenn ihre Wurzeln schnell genug gewesen wären. Ich konnte es in meinem Sein fühlen: Die Welt hatte eine Wunde erhalten, genau dort, wo wahrscheinlich unser Ziel lag. Auf unserem Weg trafen wir auf vier grässliche Wesen, die wie eine Mischung aus Mensch und Vogel aussahen. Sie verspotteten uns und berichteten von Tod, der auf unserem Weg auf uns wartete. Ich hoffe, sie meinten das Menschenlager, dessen Bewohner tot am Boden lagen. Auch diese verbrannten wir. Wir konnten uns nicht mit weiteren lebenden Leichen herumschlagen. Es ist schlimm für mich in den Behausungen der Menschen zu übernachten. Viel lieber sehe ich die Sterne über mir und fühle die sanfte Berührung des Windes, wenn er mich in den Ästen meiner Schlafstatt in meine Träume wiegt. Doch hätte ich diese Nacht viel lieber in der schmutzigsten Stadt der Menschen verbracht, als in dieser zerstörten Natur, die kein Leben mehr erhalten konnte und wollte. Unsere unruhige Nacht wurde von einem weiteren dieser Alpträume unterbrochen. Diesmal war es wohl am schlimmsten. Vor unseren Augen begann Torben zu verbluten. Ich versuchte, den Heilschlaf anzuwenden, der schon einmal gewirkt hatte, doch misslang er in der Eile. Wir versuchten Torben aufzuwecken, doch er reagierte nicht auf uns. So konnten wir im nur beim Bluten zusehen und das Beste hoffen. Doch das Schlimmste kam. Auf einmal hörte Torben zu atmen auf. Entsetzt sah ich zu, als Grim versuchte, ihn wieder zum Atmen zu bringen. Es war jedoch nicht Torbens Schicksal hier an diesem Ort zu sterben. Sein Zustand war allerdings nicht gut als er aufwachte. Zum Glück konnte ihm Ginaya ein wenig helfen. Bedrückt brachen wir auf. Wir sprachen es nicht aus, doch dachte wohl jeder dasselbe: Der nächste von uns würde seinen Albtraum nicht überleben. So zogen wir weiter, umgeben von einer immer trostloseren Welt. Es waren keine Tiere mehr da, die noch davongelaufen wären, nur noch schrecklich entstellte Kadaver. Selbst die Bäume schienen sich unter Schmerzen zu winden. Die Welt starb um uns. In diesem Sterben schien es einfach für uns, Leben zu finden. Wir fanden die Überlebenden der Stadt Dragenfeld. Allen diesen Menschen war ihr Leben gestohlen worden. Das bemerkte ich an den entsetzten Gesichtern meiner Freunde, als sie das Alter der Menschen erfuhren. Alle sahen alt aus, als würden sie im nächsten Moment sterben. Ihr Sprecher berichtete uns, dass sie vor dem Schrecken ihrer Heimat geflohen seien, der herrschte, seit sie die Priesterin verbrannt hatten. Auch berichtete er von seltsamen Fremden, die in ihre Stadt gekommen waren. Als ich mich umsah, fühlte ich den Zorn in mir wachsen. Niemand sollte solche Zerstörung über die Welt bringen können. Wir ließen Delian und Linai bei den Menschen. Wenn man wirklich Teile seines Lebens in Dragenfeld verlor, war es viel zu gefährlich für diese beiden. Sie hatten nur noch wenig übrig. Bevor wir aber aufbrechen konnten, waren wir auf einmal von Goblins umringt. Ich biss die Zähne zusammen. Ich wagte nicht zu hoffen, doch sahen sie aus, als wären sie genauso Opfer dieses Verderbens geworden wie die Menschen und ich. Wir Kinder dieser Welt hatten alle die Auswirkungen ihrer Wunde spüren müssen. Das machte uns zu Geschwistern. Darum hielt ich mich zurück, als meine Gefährten mit ihrer Anführerin verhandelten. Unsere Völker waren nicht gerade Freunde, obwohl wir uns eher aus dem Weg gingen, als dass wir kämpften. Als die Goblinfrau hörte, dass wir gegen das Übel um uns kämpfen wollten, zogen die Goblins nicht nur in Frieden ab, sie selbst ließ Mandra oder Taubra durch uns strömen, um uns zu stärken. Ich hätte nun gerne meine Worte an diese Goblins gerichtet, doch wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich nahm mir aber vor, immer an dieses Erlebnis zu denken, falls ich wieder welche traf. An den Rest des Weges erinnere ich mich kaum. Um mich herum war nur noch Tod, Entstellung, Schmerz und Zerfall. Selbst unsere Ausrüstung wurde Opfer der Zerstörung. Unser Nägel an Füssen und Händen wuchsen so schnell, dass ich glaubte zusehen zu können. Unsere Haut wurde immer dünner. Ich fühlte nur noch Schmerz. Als wir endlich am Ziel angekommen waren und uns fragten, wie wir in unserem Zustand gegen unsere Feinde bestehen sollten, sahen wir das von der Stadt Dragenfeld nur noch der Tempel im guten Zustand war. Der Rest war zerfallen. Neugierig und voller Hoffnung, wie einst in der großen Wüste beim Anblick einer Oase, gingen wir in den Tempel. Dort fühlten wir zum ersten Mal, seitdem unsere Träume begonnen hatten, wieder Frieden. Erschöpft sanken wir zu Boden und schliefen beinahe sofort ein. |