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Ancoron

Aus Avesfeuer
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Eindrücke Übersicht
Chronik Kapitel
??? Die Welt der Menschen
??? Dem Fluss entlang
??? Durch den Wald
??? Ein Gespräch unter Freunden
??? Abschied
ING 1015 Ancoron
ING 1015 Wieder vereint
RAH 1015 Kampf im Albtraum
TRA 1016 Das Mal
„A’dao bhanda!“

Der Weise hatte das Tor wieder geöffnet und mich aus der Reise entlassen, zu der er mich eingeladen hatte. Nun gab es Vieles, worüber ich nachdenken würde. Mir war ein kleiner Schatten der Zukunft gezeigt worden, und auch, wie ich ihm begegnen konnte. Wie bei einem Weisen meines Volkes musste ich nun mehr machen, als mich einfach zu verabschieden. Eo verlangte, dass ich versprach, seine Weisheit nicht einfach verklingen zu lassen. Und das würde ich auch nicht.

Es gab wohl keinen besseren Ort dafür als Sala Mandra, das Herz meines Volkes. Wenn es auf dieser Welt einen Platz für uns gab, dann waren es diese Berge. In jedem Stein, jedem Felsen, jedem Pfeifen des Windes durch die Täler, im Rauschen der Blätter, im Plätschern der Flüsse, auch im Wiegen der Bäume konnte ich das Lied der Träumerin hören. Obwohl ich Düsteres gehört hatte und noch Düsteres spürte, war es leicht für mich, meine Sorgen für eine Weile beiseite zu schieben und einfach zuzuhören. Es war an meinem letzten Abend in diesen Bergen, als ich auf einem Grat saß, um mich die Bäume, über mir die Sterne und tief unter mir der See, den die telora „Neunaugensee“ nannten, als ich wieder mein Lied spielte. An diesem Abend gab es keine Zukunft und keine Vergangenheit für mich. Nur mein Lied und die Sterne. Ferne Lichter, die mir zuflüstern, die mit mir zusammen spielten. Eine Melodie schien auch mitzuschwingen. Mir unbekannt, doch trotzdem seltsam vertraut. Bevor ich mich jedoch auf sie konzentrieren konnte, zerstob sie im Rauschen des Windes und nur das Gefühl etwas gehört zu haben, war geblieben.

Am nächsten Morgen spielte ich wieder mein Sorgenlied. Ich wusste nicht, wie lange meine Reise gedauert hatte und wollte sichergehen, dass ich nirgends gebraucht wurde. Ancoron schien es gut zu gehen. Ich war erleichtert, solange es ihm gut ging, war meine Sippe außer Gefahr. Langsam begannen mich die Sorgen, die mich schon einige Zyklen von nurda und zerza verfolgt hatten, wieder zu belasten. Wieder einmal spielte ich für Joela und mein Herz war beruhigt, dass es ihr gut ging, obwohl auch sie von leichten Sorgen geplagt war. Von Unrast erfüllt, wollte ich das Weltenlied auch nach meinen restlichen menschlichen Freunden befragen. Ich hatte sie alle lange nicht mehr gesehen und war nun auf dem Weg zu Joela gewesen, um einige von ihnen wiederzusehen. Und um sie zu sehen. Ich fühlte einen Stich in meiner Brust, ähnlich den Schwertern, die sie einst durchbohrt hatten. Mit Dhawyn wäre ich schnell bei ihr gewesen, doch Sala Mandra hatte zu sehr gelockt.

Bevor ich ein weiteres Lied spielen konnte, hörte ich auf einmal den Ruf in meinen Gedanken: „Aridhel? Du und deine Schwester habt wirklich viel gemeinsam. Wir müssen uns treffen. Ich habe etwas für dich.“ Dann sah ich noch unseren Treffpunkt. Eine Flussmündung am großen See. Ich seufzte. Die Worte Ancorons waren eine einzige Frage gewesen und in seiner Gedankenstimme hatte ich viele Sorgen bemerkt. Vor allem um mich. Wie immer, wenn ich fort war, doch diesmal besonders.

Ich rief Dhawyn und genoss einmal mehr das Wunder seines Laufes. Nach viel zu kurzer Zeit hatten wir den Platz gefunden. Er war sehr schön. Überall konnte man das Erstarken Nurdras bemerken. Die Blüte war vorbei, und die Pflanzen um mich würden nun bald Früchte tragen. Ich sah sogar ein paar wilde Apfelbäume, die bereits noch sehr grüne Äpfel trugen. Ich suchte mir einen kleinen Baum aus und lieh ihm meine Kraft, um den Treffpunkt noch gastlicher zu machen. Ich pflückte ein paar der reifen Äpfel und teilte sie mit Dhawyn. Dann fischte ich ein paar der Salme des Baches, teilte sie auf und legte sie zusammen mit ein paar frischen Kräutern in Blätter. Nun war alles vorbereitet. Mein Lehrer würde entweder heute oder innerhalb der nächsten Tage kommen. Wie ich ihn aber einschätzte, würde es wohl eher heute sein. Er hatte wirklich besorgt geklungen. Dhawyn und ich vertrieben uns die Zeit, indem wir durch die Wälder ritten, wobei ihr Lauf ein einziges Dankeschön für die Äpfel gewesen war. Ein weiteres Geschenk unter Freunden. Sie hatte mich schon auf wilden Reisen begleitet und ihre Schnelligkeit war schon ein paar Mal zwischen mir und ein paar fialgra, den schwarzpelzigen Feinden, und auch teloragra, Feinden unter den Rosenohren, gestanden.

Als wir zu unserem Platz zurückkehrten, erblickten wir meinen Lehrer, wie er gerade, den bereiteten Fisch begeistert ass. Ich musste lachen. Er war schon so lange auf dieser Welt und hatte so viel gesehen, doch hatte sein Schüler bereits in der kurzen Zeit, die er bis zu diesem Zeitpunkt gehabt hatte, mehr von der Essenszubereitung verstanden als er. Ich wartete, bis er fertig war, dann begrüßte ich ihn.

Ancoron Klingentänzer stand auf und umarmte mich. In seinen blauen Augen konnte ich all die Sorgen sehen, die er sich wohl um mich gemacht hatte, aber auch seine Freude, mich wiederzusehen. Er erzählte mir, dass mich das Sorgenlied der Sippe, wie einst meine Schwester, nicht erreichen hatte können. Viele Läufe des Mada-Mals waren vergangen, bis er wieder etwas von mir gehört hatte. Ohne dass er fragte, begann ich ihm von meiner Reise durch Sala Mandra und mein Treffen mit dem Baumvater zu erzählen. Danach glitt unser Gespräch immer mehr in den Sog der Sorgen, die uns beide am meisten zu schaffen machten. Die Träume unseres Volkes waren immer schlimmer geworden. Immer mehr handelten vom Dioy'aya Varra Dioy, dem Öffner der Tore. Mhair Thaintalwa Nurdraza, der letzte Sommer, war angebrochen. So friedlich es hier auch war, beide konnten wir den Abschied um uns spüren.

Wie immer tröstete mich Ancorons Anwesenheit. Er war schon ein Kämpfer meiner Sippe gewesen, bevor das Licht meines Vaters in diese Welt getreten war, lange bevor die Großeltern der Menschen, die ich kennen gelernt hatte, geboren worden waren. Er war der erste Thara meiner Sippe, derjenige der uns anleitete, wenn Feinde uns bedrohten, und wie jedes ihrer Kinder hatte ich noch bis vor Kurzem gedacht, dass uns niemals etwas passieren würde, solange er da war. Dann war ich jedoch durch die Welt gereist und hatte eine Ahnung von Gefahren bekommen, die für einen einzelnen Thara zuviel waren, egal wie alt und erfahren er war. Trotzdem begrüßte ich dieses vertraute Gefühl wie einen Freund.

Zusammen ließen wir unsere Lieder erklingen, doch als die Sterne am Himmel standen und das Mal der Madaya mit ihnen, begann Ancoron zu sprechen: „Du wirst auch diesmal lange wegbleiben.“ Mit diesen Worten legte er mir einen Brief in die Hand. Auf ihm stand „Aridhel – Quillyana“. Ich verstand, was Ancoron meinte. Alles an diesem Brief schien eine Warnung und ein Vorbote von Schrecken zu sein. Langsam brach ich das Wachs, dass ihn verschloss. Es war ein Brief Ginayas, in dem sie mir schrieb, dass auch sie eine Ahnung von einer Dunkelheit bekommen hatte, die auf uns zukam, und dass sie meine Hilfe bräuchte und wollte. Mehrmals las ich den Brief, bevor ich ihn meinem Lehrer reichte. Nachdem er ihn gelesen hatte, lächelte er mich an: „Diese taubrawra hat anscheinend die Gabe, euch dorthin zu bringen, wo die größten Gefahren lauern. Oder dorthin, wo ihr am meisten gebraucht werdet. Das musst du für dich entscheiden. Ariana hast du gefunden, indem du ihr einfach nachgelaufen bist.“ Er blickte mich an und lächelte. Natürlich wusste er, wie meine Entscheidung lautete. Ich hatte so oder so meine Freunde treffen wollen. „Sie wird dich dorthin bringen, wo du vielleicht Antworten auf unsere Fragen findest. Außerdem kannst du wieder mit den Wolken ziehen, junger Falke.“ Seine Augen blitzten listig, wodurch er seinem Seelentier einmal mehr ähnlich sah. Dann blickte er mich ernst an. „Du weißt, dass du ein Narr bist? Wie deine Schwester, so wie auch ich?“ Gedankenverloren spielte er mit einem goldenen Ring, der an der Schnur hing, die sein iama hielt. „Der größte Schmerz ist nicht, dass sie sterben, sondern, dass sie es nicht aus freien Stücken tun. Und darum sind sie wohl auch so hastig. Niemals bedenken sie das Ende vor dem Anfang. Manchmal beenden sie nicht einmal, was sie begonnen haben. Die Harmonie bedeutet ihnen oft nichts. Es ist dumm, sich mit ihnen einzulassen.“ Wieder spürte ich den Stich in meiner Brust, als ich diese Worte hörte. Die feuchte Berührung von Dhawyns Schnauze, die sich hinter mir niedergelassen hatte, tröstete mich ein wenig. Als Freundin hatte sie meinen Schmerz erkannt. Dass diese Worte wahr waren, hatte ich oft mit eigenen Augen sehen müssen. Trotzdem hatte ich immer gedacht, dass mich mein Lehrer von allen meiner Sippe am besten verstehen würde. Beinahe war ich erleichtert, als Ancoron forfuhr. „Doch sind nicht Wenige von ihnen stolz und mutig. Und sie sind stark. Viel haben sie geschaffen, viel überwunden. Die Macht ihres Volkes ist groß. Doch am mächtigsten sind sie, wenn sie lieben. Es mit ihrem ganzen Sein tun. Sei es ein Anderer, etwas dem sie Schönheit einhauchen oder ihre ganze Sippe. Das Licht in ihren Augen gleicht dann dem unsrigen. Ariana wurde verraten, doch wir beide wären Narren gewesen, unsere Freunde fortzustoßen.“ Ancoron lächelte mich an, und sofort verschwand mein Schmerz. Ich hatte verstanden. Dann begann er wieder sein iama zu spielen. Nach einer Weile waren wir beide in unserer Musik versunken. Mit unseren Melodien erzählten wir uns Geschichten und Erinnerungen. Mehr als wir es in Worten gekonnt hätten.

Als der Morgen graute, entließ Ancoron seinen Ruf zu den Inseln, worauf eine Schwester Dhawyns auftauchte, die ihn aufsteigen ließ. Auch Dhawyn stand auf und war bereit, mich zu tragen. Unsere Augen und unsere Hände grüßten sich noch einmal, dann lächelte mich Ancoron noch einmal an: „Ich habe meiner Tochter geschworen, auf ihre Kinder zu schauen. Doch kann ich nicht mit dir gehen. Achte darum, was ich dich gelehrt habe. Es wird auf dich Acht geben. So als wäre ich immer bei dir.“ Dann ritt er davon, während ich im nachblickte und beobachtete, wie sein blondes Haar mit dem Wind spielte. Als ich ihn nicht mehr sehen konnte, brach ich auf, um Ginaya einmal mehr zu folgen.