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Das Mal des Vampirs

Aus Avesfeuer
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Tagebuch Übersicht
Chronik Kapitel
2498 Horas Von Neersand auf nach Vallusa
ING 2498 Horas Die Amazonengöttin
ING - PRA 2498 Horas Von Vallusa auf nach Greifenfurt
2498 Horas Von Neersand auf nach Vallusa
PRA 2498 Horas Die Abtei der Borbaradianer
HES - FIR 2499 Horas Zusammentreffen mit Asleif Phileasson
FIR - TSA 2499 Horas Der Wettstreit beginnt
ING 2507 Horas Wiedersehen in Baliho
ING 2507 Horas Der Aufbruch in die Sichelwacht
ING 2507 Horas Die Drachenpforte
RAH 2507 Horas Kampf auf Turm Drachentodt
RAH 2507 Horas - PRA 2508 Horas Aufenthalt in Weiden
RON - EFF 2508 Horas Nachforschungen über Borbarad
TRA 2508 Horas Einladung von Herzog Waldemar von Weiden
TRA 2508 Horas Unterwegs im Auftrag des Weidener Herzogs
TRA 2508 Horas Begegnung mit einem Vampir
TRA - BOR 2508 Horas Die Jagd beginnt
BOR 2508 Horas Das Mal des Vampirs
BOR 2508 Horas Versöhnung mit Aridhel
BOR 2508 Horas Die Reise zum Blautann
BOR 2508 Horas Die bunte Elfenkatze

3. Boron, 2508 Horas

Wir reisen heute nach Altnorden, um dort nach dem Rechten zu sehen. Ginaya wird vorreiten, um sich nach vermissten Bauarbeitern in den letzten Tagen zu erkundigen und mit den Geweihten der Stadt zu sprechen. Wir werden uns auf unserem Weg mehr Zeit lassen und die Scheunen durchsuchen. Vielleicht finden wir weitere Opfer, oder sogar Vampire.

Am frühen Abend trafen wir in Altnorden ein. Unsere Suche war ergebnislos verlaufen. Ginaya fanden wir im hiesigen Gasthaus. Sie hatte schon den einen oder anderen Bärentod getrunken. Wütend erzählte sie uns, wie schlecht man sie hier behandelt hätte.
Aus dem Praios-Tempel wurde sie mehr oder minder hinausgeschmissen. Der Geweihte fragte sie auf welcher Seite sie stehe, auf derer Elenvinas oder derer Gareths. Sie antwortete Gareth und das missfiel dem Praioten zutiefst. Jetzt wo Dere wahrlich die Hilfe Alverans und die der zwölfgöttlichen Geweihten brauchen könnte, sind die Diener des Götterfürsten untereinander zerstritten. Diese verfluchte Kirchenspaltung kommt wahrlich zum ungünstigsten Zeitpunkt.
Im Travia-Tempel wurde sie nicht viel freundlicher behandelt. Dort ist zur Zeit Gänsemarkt und die Geweihte hatte weder Zeit noch Lust sich das „Geschwätz über umherwandelnde Vampire“ anzuhören.
Die Boroni war gewohnt schweigsam und auch keine große Hilfe. Danach war Ginaya noch bei Bervis von Dunkelstein, der hauptsächlich erbost war, dass sich schon wieder eine vom Herzog Gesandte in seine Angelegenheiten einmischte. Arme Ginaya! Dieser Tag war wohl alles andere als aufmunternd für sie.
Nach einer kleinen Stärkung werden wir uns auf die Nacht vorbereiten. Die Arbeiter bauen bis zur Praiosstunde an der Mauer. In der Zeit werden wir unsere Augen offen halten.

Ich bin so wütend! Am Liebsten würde ich meine Sachen packen und nach Hause zurückkehren. Bei der Gelegenheit könnte ich dann gleich dieses verdammte Kaff in Schutt und Asche legen. Langsam frage ich mich, ob es wirklich so schlimm wäre, wenn hier einer nach dem anderen von Deres Antlitz getilgt wird, oder ob das nicht viel mehr ein Segen der Götter wäre?!
Aber langsam, liebes Tagebuch, ich will dir eines nach dem anderen berichten. Ich wollte mich nach dem Essen mit Aridhel zurück ziehen, als mir Ginaya offenbarte, dass sie nur ein Doppelzimmer und zwei Einzelzimmer reserviert hätte. Verwundert starrte ich sie an.
Sie meinte, sie wollte die Leute nicht weiter aufregen, und es wäre wohl besser, wenn Aridhel sich während unseres Aufenthalts hier verbergen würde. Deswegen hätte sie kein Bett für ihn besorgt. Erstaunt und immer wütender werdend sagte ich: „Und wo bitte, Ginaya, soll Aridhel deiner Meinung nach übernachten?“ Nun, wir würden doch ohnehin Wachen aufstellen, also wäre immer ein Bett frei und wenn nicht, dann könne er immer noch am Boden schlafen, sagte sie. Immerhin sei er das ja gewohnt.
Fassungslos stand ich auf und verließ die Stube. Was war nur in meine Freundin gefahren? Wie konnte sie so etwas sagen? Sie war schon länger seltsam, aber das, das schlug dem Fass den Boden aus. Wie konnte sie einen ihrer Gefährten, der ihr Treue und Schutz bis in den Tod hinein versprochen hatte, verleugnen? Nur um sich ein paar Unannehmlichkeiten mit den hiesigen Dorfdeppen zu ersparen.

Am Abend ging ich schweigend mit zur Baustelle. Da erwartete mich gleich die nächste Überraschung. Der Vogt war nicht informiert, dass wir über seine Leute wachen würden und die Bauarbeiter vertrieben uns, als wir uns der halbfertigen Wehrmauer näherten. Also mussten wir im Halbdunkel, heimlich, die Männer und Frauen im Auge behalten. Das erwies sich aber als faktisch unmöglich, da die Baustelle extrem unübersichtlich war und sich viele dunkle Verstecke für einen Vampir angeboten hätten. Er hätte praktisch vor unserer Nase jemanden töten können und wir hätten es nicht bemerkt.
Ende der Rahjastunde packten die Arbeiter zusammen und schickten sich an nach Hause zu gehen. Ginaya und Torben meinten, wir müssten ihren Weg so gut es ginge sichern. Wir fünf sollten gut zwei Dutzend Menschen, die sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuten, in diesen dunklen, unübersichtlichen Gassen vor einem Vampir schützen? „Das ist doch Schwachsinn,“ sagte ich und drehte mich um. Ich ging zurück zum Gasthaus und Grim folgte mir.

4. Boron, 2508 Horas

Grim und ich waren die ersten die heute morgen wach wurden – die anderen waren ja auch länger aufgeblieben. Wir setzten uns an einen Tisch und ich spendierte ihm einen Bärentod. Schließlich ist heute sein Tsatag.

Bis die anderen in die Stube kamen, hatten wir schon das eine oder andere Gläschen getrunken. Beim Frühstück begannen wir dann darüber zu diskutieren, was wir jetzt weiter machen wollten, was aber bald in einen ordentlichen Streit ausartete. Ich war nach wie vor der Meinung, wir sollten nach Norden ziehen und die Gegend um die Acheburg untersuchen. Wenn dort einer der ältesten Vampire in Weiden lebte oder gelebt hatte, dann kannte man sich in der Gegend sicher gut mit diesen Kreaturen aus und vielleicht würden wir auch den einen oder anderen Hinweis in der umfangreichen Bibliothek von Rhodenstein finden können.
Ginaya und Torben wollten unbedingt die nächsten Tage hier bleiben und den Vampir von Altnorden jagen. Ich war für fast alle Vorschläge offen, aber ich machte klar, dass ich nicht beabsichtigte auch nur einen Tag länger hier in dieser „Stadt“ zu bleiben. Die Leute waren mehr als unfreundlich zu uns und wollten unsere Hilfe nicht. Wir hatten sie gewarnt. Es gab viele ehemalige Krieger hier, jetzt sollten sie sich gefälligst selbst beschützen. Es gibt viele Orte in Weiden, die sicher dringender unsere Hilfe brauchten.
So gab ein harsches Wort das andere, bis Torben und ich uns über den Tisch hinweg so laut anbrüllten, dass die anderen Gäste schleunigst die Schenke verließen. Ginaya versuchte die Situation zu beruhigen und meinte sie würde die Karten legen und dann könnten wir ja immer noch entscheiden, wohin wir unsere Schritte lenken wollten, oder ob wir vielleicht doch in Altnorden bleiben sollten. Brummelnd ging ich mit aufs Zimmer.

Ginaya legte einen Stern, mit Erde von Altnorden als Signifikator, um zu erfahren, was wir in Bezug auf das Dorf tun sollten. Die erste Karte – das, was förderlich ist – war Ingerimm. Die zweite Karte – das, was schon geschehen ist – war der Namenlose. Die dritte Karte – das, was schlecht ist – die umgekehrte Feuer-Sechs. Die vierte Karte – das, was noch geschehen wird – war der Magier des Feuers.
Ich verstehe leider nichts vom Karten legen, aber Ingerimm könnte bedeuten, dass wir uns wappnen und wachsam bleiben sollen. Der Namenlose bedeutet vermutlich, großes Unheil geschah in der Vergangenheit. Könnte damit das Schlimmste schon vorüber sein? Die Sechs des Feuers hat ja etwas mit Einigkeit zu tun. Wenn die Karte dann umgekehrt ist und dort liegt, was wir nicht tun sollen, dann dürfen wir uns wahrscheinlich auf keinen Fall trennen oder uneinig werden. Der Magier des Feuers in der Zukunft...Hm, keine Ahnung, was uns das mitteilen soll. Das Macht und Magie zweischneidig sind? Das sie uns in Zukunft Gutes und Böses bringen werden? Nun, das hätte ich auch ohne Karten vorhersagen können...
Während meine Freunde noch eifrig diskutierten, wie die Karten zu deuten wären, zog ich mir eine Tageskarte. Ich hätte sie fast vor Schreck wieder fallen lassen. Ich hatte den Magier des Eises gezogen. Die Zwölfe stehen mir bei! Diese lebensfeindliche Karte. Ich versuchte mich krampfhaft zu erinnern, was ihre Bedeutung war. Sie steht für so etwas wie die Zerstörung durch Magie. Ginaya bestätigte mir das.

Wir waren uns noch gar nicht im Klaren darüber, was wir von alldem halten sollten, als es an der Tür klopfte. Der Wirt stand draußen. Er hatte eine Nachricht für uns - von der Boroni, wie er uns später verriet. Ginaya nahm das Schreiben an sich und las es sich durch. Ernst sah sie mich an: „Sag kennst du Pailos?“ Pff, natürlich kannte ich Pailos. „Sie ist eine der Zyklopeninseln.“ „Hast du dann auch schon mal von Rohafan von Pailos gehört?“
Rohafan, Rohafan. Ich hatte diesen Namen schon einmal gehört. Ich versuchte mich zu erinnern, was zugegebenermaßen nach all dem Bärentod nicht so einfach war. Torben murmelte: „Ach, die betrunkene Horasierin, kann sich doch nie und nimmer besinnen.“ Pah, das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Natürlich! „Rohafan war einstmals Herrscher der Zyklopeninseln. Er ließ die Praioten in seinem Reich verfolgen und wurde in seinem Palast verbrannt,“ versuchte ich mit möglichst wenig Nuscheln hervorzubringen.
Das alles stand auch in dem Schreiben, wie Ginaya berichtete, aber auch noch viel mehr. Angeblich war Pailos der erste Vampir. Boron verfiel der Frau des Herrschers und zeugte mit ihr ein Kind. Ein Kind das wir alle kennen – Marbo. Die warmherzige Marbo nahm sich ein paar der Frevler an und sie wurden zu Paladinen Borons – Wächter des Schlafes. Doch einige andere huldigten weiterhin dem Namenlosen und saugten in seinem Namen das Blut aus ihren Opfern.

Ginaya hatte gerade geendet, als ein dumpfes, mulmiges Gefühl in mir hoch kroch. Ich erinnerte mich plötzlich an einen Traum, den ich heute nacht hatte:
Ich bewege mich durch eine verschneite Landschaft. Dann entdecke ich rote Spuren - nein, bei näherer Betrachtung scheinen es eher rote Kügelchen zu sein. Und dann sind die Kügelchen auf einmal hohe Fleischberge. Sie sind überall. Sie umzingeln mich. Und schließlich überrollen sie mich. Überall ist Blut. Ganze Bäche. Es strömt in eine Richtung. Bergan, einem ganz bestimmten Ziel zu.

Schön langsam verging mir die Lust auf Unternehmungen an diesem Tag. Zuerst die schlechte Tageskarte und dann auch noch die Erinnerung an diesen Traum...
Meine Gefährten wollten alle noch zumindest diesen Tag hier bleiben. Auch gut, meine Sinne waren ohnehin zu benebelt, um weiter mit ihnen zu streiten.
Wir gingen zuerst zur alten Burgruine, um nach Schlafstätten von Vampiren zu suchen. Wir fanden zwar nichts, aber diese Aufgabe hatte wenigstens dafür gesorgt, das ich wieder klar denken konnte.
Ginaya und ich gingen weiter zum Boronanger, um Mutter Alvina Menzheimer einen Besuch abzustatten. Wir wollten wissen, warum sie uns diesen Text hatte zukommen lassen und ob sie noch mehr über Vampire wisse. Geduldig warteten wir, bis sie nach über einer Stunde das Wort an uns richtete. Sie gab uns schnell zu verstehen, dass wir hier keine weitere Hilfe erwarten durften.
Bei den Arbeitern erfuhren wir vom Verschwinden einer weiteren Person. Vorgestern Nacht hatte sich das ereignet. Die anderen fanden dann noch heraus, dass es Vorarbeiter gibt, die nur nachts arbeiteten. Das war doch eine ganz brauchbare Spur! Vielleicht war einer von ihnen der gesuchte Vampir.

Bevor wir uns zur Mauer begaben, führte ich auf unserem Zimmer noch ein langes Gespräch mit Aridhel. Um ehrlich zu sein, weinte ich mich eher an seiner Schulter aus. Ich entschuldigte mich bei ihm für mein Verhalten beim Vogt und erzählte ihm, wie wütend mich die Leute hier machen würden. Wie verletzend ich Ginayas Handeln in den letzten Wochen oft gefunden hatte und das ich das Vertrauen in sie und in unsere Gemeinschaft verlor. Er versuchte mich zu trösten. Und wie immer fand er die rechten Worte zur rechten Zeit.

Trotz Aridhels liebevoller Worte, die mich aufgerichtet hatten, war meine Stimmung ziemlich gedrückt, als wir die Baustelle erreichten. Meine Freunde bezogen Stellung in der Nähe der Arbeiter und ich kletterte auf eine der Baracken, um eine bessere Übersicht zu haben.
Ich war gerade in Gedanken versunken, als mich plötzlich jemand an der Schulter antippte. Erschrocken fuhr ich zusammen. Wie konnte sich nur jemand unbemerkt an mich heranschleichen? Meine Hand fuhr zu den Waffen, als ich mich langsam umdrehte. Hinter mir stand ein großgewachsener Mann: “Ihr sucht Wolfhard, nicht wahr? Ich weiß wo er ist. Kommt mit mir.“
Ich sah hinunter zu meinen Gefährten. Sie entfernten sich gerade. Anscheinend folgten sie einer Spur. Wieder drehte ich mich zu dem Mann um. Er erschien mir nicht im mindesten gefährlich und wie es aussah wollte er uns helfen. Also ging ich mit ihm. Er führte mich ein Stück weit weg von der Baustelle. Dunkel war es hier und ruhig.

Dann spürte ich das Kribbeln im Nacken. Meine Hand hatte den Gürtel mit meinen Waffen noch nicht erreicht, als ich schon von hinten gepackt wurde. Mit stählerner Hand drückte mir der Mann die Kehle zu. Ich tastete nach dem Pflock, zog ihn, und rammte ihn der Gestalt tief in den Arm. Ich hörte sein kehliges Lachen an meinem Ohr: “Hahaha. Damit kannst du mir nichts anhaben.“ Angst stieg in mir hoch. Ich vermochte kaum noch zu atmen und sein Griff war so eisern, dass ich es nie und nimmer vermocht hätte mich zu befreien. Noch einmal spannte ich meinen Körper und rammte dem Vampir – denn das war er zweifelsohne – den Pflock in den Bauch. Nicht die geringste Wirkung! Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Panik machte sich in mir breit. Meine Freunde würden mich hier nie und nimmer finden. Aridhel! Verzweifelt klammerte ich mich an diesen Hoffnungsfunken. Vielleicht würde er mich hören. Ich sammelte all meine verbliebenen Kräfte und krächzte ein heißeres: „Hilf mir!“
Ich rang mit mir um bei Bewusstsein zu bleiben. So einfach würde ich es diesem Vampir nicht machen! Entschlossen packte ich den Pflock fester. Wieder und wieder stieß ich ihn in sein Fleisch und dann vermeinte ich schnelle Schritte zu hören und dann glitt ich ins Dunkel.

Langsam rappelte ich mich hoch. Mein Hals und meine Kehle schmerzten erbärmlich. Da, eine helfende Hand! Ginaya griff mir unter den Arm und zog mich hoch. Ich hörte Kampfeslärm. Nach und nach kamen meine Sinne und auch meine Erinnerung wieder zurück. Ich griff zu meinem Hals. Warmes Blut rann an ihm hinab. Meine anderen Gefährten kämpften mit dem Mann, der mich angefallen hatte.
„Halt deinen Stab bereit Ginaya.“ Ich zog meine Schnapsflasche, legte sie in die Schleuder und rief: “Duckt euch!“ Meine Freunde ließen sich allesamt auf den Boden fallen und sicher fand der Bärentod sein Ziel. Ginaya stürmte vor, entzündete ihren Stab und steckte den Vampir in Brand. Der grinste uns frech an und dämpfte die Flammen aus. “Verschwindet Gewürm. Ihr habt ohnehin keine Chance,“ rief er uns zu.
Tapfer kämpften die Thorwaler weiter und versuchten das Ungeheuer zu köpfen. Heftig waren ihre Hiebe, doch vermochten sie ihm nicht den Kopf abzutrennen. Dafür wurden ihre Verletzungen immer zahlreicher. Entschlossen schnappte ich noch einmal einen Pflock. Er hatte zwar vorher nichts ausrichten können, aber vielleicht wenn ich ihn ihm ins Herz rammte... Ich musste meinen Freunden doch helfen und das war das Einzige was ich tun konnte.

Mehrmals versuchte ich vergeblich den Pflock richtig zu platzieren, doch schließlicht saß er. Ein Treffer mitten ins Herz. Ein kleiner Schmerzschrei entrang sich der Kehle des Vampirs, doch dann zog er ihn heraus und warf ihn weg. Also war es wahr, unsere Pflöcke zeigten keine Wirkung bei dieser Kreatur. Ich zog mich zurück. Ich war keine Hilfe mehr in diesem Kampf.
Torben war mittlerweile schwer verwundet und auch Grim schien übel zugerichtet. Er versuchte noch weiter den Vampir zu köpfen, aber trotz unterstützender Zauber die seine Fähigkeiten verstärkten, war ihm deutlich anzumerken, dass seine Kräfte ihn zu verlassen drohten. Schließlich rief Aridhel: „Rückzug,“ und widerstrebend ließ auch unser mutiger Grim von dem Wesen ab.
Mit langen Schritten verschwand der Vampir im Dunkel der Nacht. Niedergeschlagen kehrten wir zur Schenke zurück. Was für eine Schmach, was für ein Unglück, dass wir diese Kreatur nicht zu bezwingen vermochten!

5. Boron, 2508 Horas

Die Stelle am Hals, an der mich der Vampir gebissen hat, ist taub und kalt. Genauso wie Aridhel seine. Ich muss fast lachen, wenn ich daran denke, auch wenn der Schreck noch tief sitzt. Zuerst rette ich ihn vor einem dieser unheiligen Wesen und dann er mich. Und wir beide haben uns selbst durch Unbedachtheit und mangelnde Vorsicht in diese Lage gebracht.

Jetzt tragen wir beide dieses Mal wahrscheinlich für den Rest unseres Lebens. Möge es uns immer gemahnen vorsichtiger zu sein, aber uns auch daran erinnern, dass wir ohne denn anderen nicht mehr leben würden.

Das Frühstück verlief ziemlich schweigsam. Der Schreck sitzt uns noch allen in den Gliedern, das wir so machtlos gegen dieses Wesen waren. Wir wissen nicht, was wir noch tun können. Die nächste derartige Begegnung könnte unsere Letzte sein.
Wir beschlossen, meine Freunde würden hier nach dem Versteck des Vampirs suchen und ich würde, so schnell wie möglich, nach Baliho reiten und den ehrenwerten Brunn Baucken um Hilfe bitten. Ich müsste eigentlich bis Einbruch der Dunkelheit wieder zurück sein.

Ich ging auf mein Zimmer um mich fertig zu machen und kurz darauf stand Ginaya in der Tür. Ein wenig verlegen sah sie mich an. „Joela? Ich war gerade bei Aridhel, ich hab mich entschuldigt bei ihm, dafür, dass ich nur drei Zimmer genommen habe in Altnorden. Er meinte, ich solle mich lieber bei dir entschuldigen.“ Verwundert sah ich sie an. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Sie entschuldigte sich bei mir für ihr Verhalten und für den gestrigen Streit. Das erste Mal seit langem öffnete sie mir wieder einmal ihr Herz. Sie erzählte mir von ihren Ängsten und Zweifeln. Von der schweren Bürde, die sie manchmal zu erdrücken droht und ihrer Angst um unsere Freundschaft.
Ich musterte sie lange, bevor ich ihr antwortete: „Wir haben einen Teil deiner Bürde zu unserer Bürde gemacht, als wir dir zusicherten an deiner Seite gegen Borbarad zu kämpfen. Ich kann mir nicht vorstellen, was du erlebt hast, als sein Geist durch dich hindurchfuhr, und um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass ich es nicht kann. Du hast Recht, das einzige, was uns in diesen dunklen Zeiten geblieben ist, ist unsere Gemeinschaft und die Freundschaft, auf die sie baut.“ Ich sagte ihr, wie sehr sie mich enttäuscht und verletzt hatte. Mit ihrem Misstrauen mir gegenüber, das sie oft so unverhohlen gezeigt hatte, mit der Aufforderung an mich meinem Geliebten Fesseln anzulegen, mit all den großen und kleinen Uneinigkeiten in letzter Zeit. „Aber ich bin wirklich froh und erleichtert, dass du dich bei Aridhel und mir entschuldigt hast. Es lässt mich hoffen, denn es zeigt mir, dass irgendwo noch die alte Ginaya in dir steckt. Die Ginaya, die einst meine innigste Freundin war und deren innigste Freundin ich war.“ Dann zog ich meinen Mantel über und verließ die Schenke.

Ich trieb Nordstern zur Eile an, was sich als gar nicht so einfach erwies, denn es war ein schöner Tag, den viele Leute zum Reisen nutzten.
Ich hatte noch nicht viel Weg zurückgelegt, als mir in der Ferne ein hünenhafter Kämpe auffiel. Er saß auf einem prächtigen Ross und führte ein noch stattlicheres Streitross mit sich. Begleitet wurde er von einer ausnehmend hübschen jungen Frau. Als er mich heranpreschen sah, zügelte er sein Ross und nach alter Sitte tat ich es ihm gleich.
„Rondra zum Gruße,“ rief er mir entgegen. Beim Näherkommen bemerkte ich zwei wunderschöne Schwertscheiden an seinem Bund. So schöne hatte ich wahrlich noch nie gesehen! Außerdem fiel mir auf, dass seine Begleiterin eine Dienerin Rahjas war. „Rondra zum Gruße,“ erwiderte ich seinen Gruß. „Wohin des Wegs, werte Reiterin?“ Ich antwortete, dringende Angelegenheiten würden mich nach Baliho führen.
„Wenn ich mich vorstellen dürfte. Dies hier ist meine Tochter Shanhazadra und ich selbst bin unter dem Namen Raidri Conchobair bekannt.“ Mit großen Augen starrte ich ihn an und wäre beinahe vor Überraschung aus dem Sattel gekippt. Raidri Conchobair! Direkt vor mir! Wie viele Geschichten hatte ich nicht schon von ihm gehört? Der Mann ist eine lebende Legende. Sein Mut und seine Unerschrockenheit sind beispiellos. Er ist der beste Schwertkämpfer ganz Aventuriens. Man sagt, er hätte noch nie einen Zweikampf verloren.
Dann verhüllten diese hübschen Schwertscheiden also seine Endurium-Schwerter Antworter und Vergelter.

Ich fragte ihn, was ihn nach Weiden führte und er erzählte, dass er im Bornland zu Gast gewesen sei. Doch dann hätten ihn Gerüchte ereilt, dass seine Grafschaft Winhall zwischen die Fronten der streitenden Praioskirche geraten sei. Aufständische Bauern sollen über das Land ziehen. Aus diesem Grund ist er nun auf dem Heimweg, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Er meinte, er hätte aber einen Umweg machen müssen, da es nicht möglich gewesen sei die Sichelwacht zu passieren.
Traurig starrte ich ihn die Ferne: „Ja, ich weiß, das Land ist gesperrt seit den furchtbaren Ereignissen im Rahja. Aber verzeiht. In der Aufregung, habe ich ganz vergessen mich vorzustellen. Mein Name ist Joela de Dolcevitani.“ Interessiert zog Graf Conchobair die Augenbraue hoch. „Ach, ihr seid das. Ich habe schon von Euch und Euren Gefährten gehört. Mein Freund Waldemar hat mir erzählt, er hätte ein paar mutige Kämpen beauftragt Weiden zu schützen und die jüngsten Vorfälle hier aufzuklären.“
Abermals wäre ich beinahe aus dem Sattel gekippt. Der Schwertkönig hatte bereits von uns gehört!

Hastig berichtete ich ihm was wir bisher herausgefunden hatten und was für eine dunkle Plage über das Herzogtum hereingebrochen war. Mit gerunzelter Stirn hörte er sich meinen Bericht an. Als ich geendet hatte, mischte sich Shanhazadra ein. Ihre Stimme war ebenso lieblich, wie ihr Antlitz. Genauso, wie man es von einer Dienerin der heiteren Göttin erwartet hätte.
Sie warnte mich vor der Baronesse Ulgrein von Menzheim. Sie treibt es wild auf ihrem Schloss und lädt immer junge stattliche Bauern zu sich ein. In letzter Zeit sind aber viele von ihren „Gästen“ verschwunden. Von zwei Fällen konnte sie berichten, wo die Jungen nach diesen ausschweifenden Festen an „Schwäche“ gestorben waren. Hm, ich befürchte das Schlimmste. Sollte auch die Baronesse ein Vampir sein?
Die Sonne stand schon fast im Rahja und ich musste mich bereits sputen, wenn ich wieder rechtzeitig nach Altnorden zurückkehren wollte. Ich fragte noch, wohin sie ihr Weg führen würde. Graf Conchobair reitet auf schnellstem Weg nach Winhall und seine Tochter Shanhazadra wird sich in Altnorden von ihm trennen und in ihren Tempel nach Espen zurückkehren. Ich ermahnte sie zur Eile und das sie nicht in der Dunkelheit reisen sollte, dann wendete ich mein Pferd und drehte mich noch ein letztes Mal um. Raidri Conchobair schenkte mir ein umwerfendes Lächeln: „Kommt mich doch mal in meiner Grafschaft besuchen, wenn Ihr in der Gegend seid!“
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen! Ich bedankte mich für seine Einladung und gab Nordstern die Sporen.

Es war viel später, als ich geplant hatte, als ich in Baliho ankam. Ich hielt direkt auf den Tempel des Praios zu. Phex sei Dank, hatte Brunn Baucken sofort Zeit mich zu empfangen. Ich berichtete ihm von unserem vergeblichen Kampf letzte Nacht und das wir dringend rohalsche Einsichten bräuchten, wie wir weiter vor gehen sollten.
Bedauernd sah er mich an. Er wusste auch nicht, was wir noch versuchen konnten, außer unseren Glauben zu stärken und auf die Götter zu vertrauen. Er versicherte aber, er wolle uns helfen und er hätte vollstes Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten. Da back mir doch einer einen Hund! Dieser Tag steckte voller Überraschungen. Solch Lob und Anerkennung aus dem Mund des Hochgeweihten. Das wollte was heißen!
Auf meine Frage nach den Fortschritten der Untersuchungen in der Wüstenei – wie die Sichelwacht nun genannt wird – erzählte er mir, dass keine Bannstrahler oder Sonnenlegionäre mehr dort wären. Sie waren momentan zu beschäftigt mit den kircheninternen Konflikten. Die Zwölfe stehen uns bei! Warum herrscht gerade jetzt diese Uneinigkeit zwischen den Praioten, wo Weiden jede schützende Hand gebrauchen kann?
Ich wollte gerade gehen, als Brunn Baucken mich noch einmal zurück hielt. „Vielleicht kann das euch helfen,“ und er überreichte mir einen Sack voll Goldstaub! Mein Körper kribbelte, wie immer, wenn ich eine Gelegenheit sah, einen guten Dienst an Phex zu tun. Aber ich beherrschte mich. Auch, wenn dem Herrn der Nacht so ein Geschenk, oder auch nur ein Teil des doppelt wertvollen Staubs – da von Praios stammend - wohl gefallen hätte, war das nicht der richtige Zeitpunkt und nicht die richtige Art, wie ich ihn erhalten hatte. Vielleicht würde dieses Säckchen meinen Gefährten und mir in nicht allzu ferner Zukunft das Leben retten.

Nordstern und ich waren beide sehr erschöpft, als wir wieder in Altnorden ankamen. Zurück hatte ich uns beide nicht geschont, um vor Einbruch der Dunkelheit die Stadt zu erreichen. Meine Freunde saßen im Gasthaus und waren in ausgelassener Stimmung. Sie erzählten, sie hätten Halman – den Vampir den wir gestern vergeblich bekämpft hatten – mit der Hilfe einiger Dorfbewohner vernichtet.
Schnell hatten sie herausgefunden, um wen es sich bei dem gestrigen Wesen gehandelt hatte. Dann waren Grim und Torben zu seinem Haus, einem kleinen entlegenen Gehöft aufgebrochen. Dort hatten sie seine Frau – ebenfalls ein Vampir – vorgefunden. Sie hatte keine Beine mehr gehabt und war ans Bett gefesselt gewesen. Die beiden starken Thorwaler haben kurzer Hand Kleinholz aus dem Bauernhäuschen gemacht, und als Praiosstrahlen auf das Geschöpf der Nacht fielen, zerfiel es zu Staub.
Im Keller fanden sie gut ein Dutzend Leichen, in allen Graden der Verwesung. Armer Grim! Also holten meine Gefährten Mutter Alvina zum Bestatten der Leichen und auch noch gleich den Vogt, damit er sich mit eigenen Augen von den düsteren Vorgängen hier überzeugen konnte.

Dieser Schock wirkte und riss die Leute aus ihrer Lethargie. Es sprach sich wie ein Lauffeuer herum, dass Halman ein „Mörder“ wäre. Bald darauf streifte ein wütender Mob durch die Straßen auf der Suche nach dem ehemaligen Vorarbeiter. Aridhel, Grim, Ginaya und Torben fanden schließlich das Versteck des Vampirs und gut und gerne ein Dutzend Leute stürmten ohne Umschweife in das Haus und zerrten Halman ans Licht. Als dieser jedoch zu Staub zerfiel, angesichts der Macht des Herrn Praios, waren die Dorfbewohner auch genauso schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen waren. Ach, diese Weidener...

Auch ich erzählte meinen Freunden von meinen Erlebnissen. Besonders Ginaya wollte jede Einzelheit von meiner Begegnung mit Raidrai Conchobair wissen. Ich sagte, Shanhazadra hätte mich vor der Baronesse von Menzheim gewarnt und es waren gleich alle dafür, dieser „edlen Dame“ morgen einen Besuch abzustatten. Ich zeigte ihnen auch das Geschenk von Brunn Baucken und sie waren nicht minder erstaunt, über diese großzügige Geste, als ich es gewesen war.
So endete also ein durch und durch erfolgreicher Tag, mit einem fröhlichen Beisammensein. Wir hatten wieder Mut und Hoffnung geschöpft. Beides können wir für unsere nächsten Vorhaben bestimmt brauchen.