Die Jagd beginnt
Inhaltsverzeichnis
27. Travia, 2508 Horas
Es war schon später Vormittag als wir uns alle beim Frühstückstisch einfanden. Gut gelaunt begrüßte ich meine Gefährten und gab Aridhel einen dicken Kuss. Es war doch ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man seine Seele noch hatte. Torben nahm meine gute Laune gleich zum Anlass zu denken, ich hätte mich letzte Nacht im Hafenviertel vergnügt. Ich würdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Wie kann man nur so dumm sein? Die Thorwaler hatten mehr über die Morde herausgefunden. Im Travia waren bereits vier geschehen. Eine Dirne wurde mit drei Messerstichen getötet, einer fehlte das Herz, bei einer war die Haut aufgerissen und der letzten fehlten – wie wir bereits wussten – Kopf und Gliedmaßen. Diese Gräueltaten waren am 3., 10., 17. und 25. Travia geschehen. Hier zeichnete sich also ein Muster ab. Wir nehmen an, dass sich der nächste Mord Anfang Boron ereignen wird. Wieder teilten wir uns auf. Torben stattete der Stadtwache einen Besuch ab, Grim begann Pflöcke zu schnitzen – angeblich kann man Vampire mit einen Pflock ins Herz töten, - und wir gingen Sachen einkaufen. Wir erwarben Knoblauch, Praiosblumenkerne, Bärentod (vielleicht konnten wir den Vampir so anzünden), Salz und Fingerfarbe für Aridhel.
Am Nachmittag zogen Aridhel und ich uns auf unser Zimmer zurück. Wir wollten ein bisschen Zeit für uns haben und ich war noch müde von der Zeremonie in der gestrigen Nacht. |
28. Travia, 2508 Horas
Im Hafenviertel erzählt man sich einige Gerüchte. Angeblich wurde das „Schwert der Schwerter“ - Dragosch Corrhenstein – in einen Hinterhalt gelockt und getötet. Der Baron und Verwalter von Baliho – Avon Nordfalk von Moosgrund– soll verschwunden sein. Manche sagen, er kämpfe gegen die Orks, andere meinen er wurde entführt oder sogar getötet, wieder andere glauben zu wissen, er wäre derzeit gerade bei Kaiser Brin. Um zumindest den Gerüchten über den Verweser auf den Grund zu gehen, suchten wir seine Residenz auf. Dort trafen wir den Burggrafen aber nicht an und so gingen wir weiter zum Landvogt. Angrist von Baliho wirkte mehr wie ein Ritter, als wie ein Landherr. Er sagte uns, der Verweser sei zur Zeit beim Kaiser. Über die Morde konnte er uns nicht mehr erzählen, als wir schon von der Stadtwache erfahren hatten. Grim und Torben sind wieder zum Hafen gegangen. Ginaya ist schon sehr böse auf die beiden. Ich kann sie verstehen. Zwei Männer, die den Traviabund eingegangen sind, haben in so einem Viertel nichts verloren. |
29. Travia, 2508 Horas
Wir haben beschlossen uns heute aufzuteilen. Aridhel und ich reisen nach Süden, in das Dorf Altnorden und die anderen werden in Rudein nach dem Rechten sehen. Wir beide haben die Kaleschka genommen. Eigentlich hält sich Aridhel nicht gerne in engen Räumen auf, aber ich konnte ihn von den Vorzügen der Kutsche überzeugen. Wir konnten uns drinnen aneinander kuscheln, während draußen der Schnee in dicken Flocken auf das Land herabfiel. Kurz vor unserem Ziel hielt Boril auf einmal die Pferde an. Neugierig streckten wir die Köpfe aus der Kaleschka. Unser Kutscher hatte abseits vom Weg ein Bündel im Schnee entdeckt. Beim Näherkommen entpuppte sich dieses Bündel als die Leiche eines Mannes. Sie war schon leicht eingeschneit und steif gefroren. Als wir sie umdrehten entdeckten wir Krallenspuren auf der Brust und auch Bissspuren am Hals. Altnorden selbst bot einen recht ungewöhnlichen Anblick. Das Dorf wird von einer halbfertigen Wehrmauer umgeben, an der aber fleißig gearbeitet wurde, als wir ankamen. Und das mitten im Winter! Bervis von Dunkelstein führte uns in sein Arbeitszimmer. „Nun was führt euch hierher?“ fragte er mich. Ich erkundigte mich, ob in letzter Zeit Leute verschwunden sind. Tatsächlich sind mehr als ein halbes Dutzend Arbeiter „desertiert“. Sie bauen diese Wehrmauer mitten im Winter, um gegen einen Angriff der Orks gesichert zu sein. Dazu haben sie eine zweite Schicht eingeführt, die die Arbeiten auch nach Einbruch der Dunkelheit fortsetzt. Bei der Nachtschicht verschwinden immer wieder Arbeiter. (Einer davon scheint unsere Leiche zu sein.) Laut Vogt tauchen sie unter, weil ihnen die Arbeit zu anstrengend ist. Zurück in Baliho brachten wir die Leiche gleich zum Hochgeweihten Brunn Baucken, damit er sich um sie kümmern konnte. Er scheint mir ein wirklich sehr vernünftiger Mann zu sein, und ist uns gegenüber sehr hilfsbereit. Auch er sorgt sich wegen den Entwicklungen in Weiden. Ibn Jassafer könnte uns nach dem Bericht unserer Gefährten noch eine sehr große Hilfe sein.
Er hat sich sehr ausführlich mit den Orakelsprüchen von Fasar beschäftigt und hat Ginaya sofort als erste Gezeichnete erkannt. Er ist der Meinung, dass die Al´Anfanischen Prophezeiungen davon abgeschrieben sind. Das würde auch erklären, warum die Orakelsprüche viel detaillierter sind. Ginaya hatte, aufgrund seines geschwächten Zustands, noch keine Gelegenheit sich ausführlicher mit ihm zu unterhalten. Sie weiß nur, das er denselben Linien gefolgt ist, denen auch sie schon einmal nachgegangen ist. Ibn Jassafer denkt, dass auch welche dieser magischen „Kraftlinien“ durch Dragenfeld gehen. |
30. Travia, 2508 Horas
Den Tag verbrachte ich mit Ginaya in der Bibliothek. Ich half ihr bei ihren Nachforschungen, was sich angesichts des relativ geringen Bestands an Büchern, zum Glück, nicht als allzu schwierig erwies. Wir fanden einige interessante Buchpassagen: Es heißt die tausendjährige Eiche steht auf einer Ader Sumus. (In ihr treffen sich zwei der „Kraftlinien“) Aridhel war in der Zwischenzeit bei Brunn Baucken gewesen. Der Hochgeweihte hat ihm einen Brief ausgestellt, dass er die Sichelwacht betreten darf. Aridhel möchte unbedingt einmal zurückkehren zu diesem Ort des Schreckens. Er möchte versuchen eine Teil des Landes zu „heilen“ und so sich und uns und vor allem seinem Volk ein wenig Hoffnung zurück geben. Ich verstehe nicht ganz, was er damit meint, aber so ist er halt nun einmal. Ich für meinen Teil kann liebend gerne darauf verzichten noch einmal in meinem Leben dort hinzureisen. Grim und Torben zogen nach Altnorden. Sie wollten den Vogt und die Leute davon überzeugen die Nachtarbeit einzustellen. Wie erwartet waren ihre Bemühungen allerdings ergebnislos. In der Nacht waren wir im Hafenviertel. Der Mörder/Vampir wird wohl in den nächsten Tagen wieder zuschlagen und dann wollen wir zur Stelle sein. Die Nacht war sehr kalt und es schneite in dicken Flocken. |
1. Boron, 2508 Horas
Es war bereits die Praiosstunde angebrochen, als ich mich aus meinem Bett quälte. Damit wir nicht bis zum Einbruch der Nacht untätig herumsäßen, beschlossen Ginaya und ich uns in den umliegenden Scheunen und Feldern von Baliho umzusehen. Diese Suche verlief ohne jedes Ergebnis.
Bei Einbruch der Dunkelheit kehrten wir zurück und ich unterhielt mich mit der Stadtwache am Tor. Das letzte Opfer hatte ein Stück Pelz in der Hand gehabt. Ein Pelz von derart guter Qualität, wie in eigentlich nur der Händler Elbaran verkauft. Ohne Umschweife machten wir uns auf den Weg ins Hafenviertel und teilten uns wie gehabt auf. Die „Jagd“ war eröffnet. Sein Gesicht war blutverschmiert und der Frau am Boden troff das Blut vom Hals. Es bestand wohl kein Zweifel wer, oder besser gesagt was, da vor mir stand. Ich empfahl mich den Göttern und betete, dass meine Freunde bald eintreffen würden. Mit festem Griff umschloss ich den Pflock und stürzte mich auf den Vampir. Ich versuchte ihm das Holz ins Herz zu rammen, doch schon beim ersten Stich, zersplitterte die Steineiche. Merde! Wir hoben das Mädchen auf, das noch immer bewusstlos war, und brachten sie in den Praiostempel. Seine Eminenz Brunn Baucken war alles andere als begeistert, dass wir ihn aus dem Schlaf rissen, aber er nahm sich des Mädchens an und versprach uns sie gut zu versorgen. |
2. Boron, 2508 Horas
Beim verspäteten Frühstück heute morgen waren wir alle gut gelaunt. Außer Torben, der ein wenig verstimmt zu sein schien. Keine Ahnung, was der schon wieder hat. Nachdem wir uns gestärkt hatten, haben wir uns in Elbarans Haus umgesehen. Viel Interessantes konnten wir nicht finden. Nur eine Kiste, in der er anscheinend übernachtet hat. Danach machten wir uns auf, dem Landvogt von den Ereignissen der Nacht zu berichten. Der wimmelte uns aber ziemlich schnell ab. Von Vampiren wollte er überhaupt nichts hören. Diese dummen Weidener! Verschließen lieber die Augen vor der Gefahr, als sich ihr zu stellen. Ginaya machte sich auf zum Traviatempel, um Dschelef ibn Jassafer zu sprechen. Danach wollte sie noch einmal in die Bibliothek gehen, um mehr über die Acheburg herauszufinden. Ich begab mich in die Stadt, um ebenfalls Nachforschungen anzustellen. Übrigens haben die Geweihten Ginaya nicht zu ibn Jassafer gelassen. Er müsse sich erst erholen. Das ist wirklich zu schade, vielleicht könnte er Licht in die Vorgänge hier in Weiden bringen. Ginaya hat einen Brief an ihn hinterlassen. Denn morgen werden wir nach Altnorden aufbrechen. Uns erkundigen, ob dort weitere Menschen verschwunden sind, seit wir das letzte Mal dort gewesen sind. |