Kampf auf Turm Drachentodt
Inhaltsverzeichnis
2.Rahja, 2507 Horas
Als wir völlig erholt im Tsa-Tempel aufwachten, war es draußen noch stockfinster. Wir hatten anscheinend nur ein paar Stunden geschlafen. Wir begannen also damit uns ein wenig umzusehen, in der Hoffnung irgendwelche nützlichen Aufzeichnungen von Laniare zu finden, die etwas Licht in die Ereignisse bringen würden. Der Tempel war bunt und voller Darstellungen der jungen Göttin, so wie man es eben erwarten würde. Wir durchsuchten also die Sakristei, die Privatgemächer, die Küche und die Speise. Nach wie vor nagte nämlich unglaublicher Hunger an uns. Wir fanden ein Tagebuch, so eine Art Vokabelheft mit seltsamen Symbolen, ein paar andere Aufzeichnungen, Tränke (aus der Sakristei) und natürlich was zum Essen. Ginaya hatte sich inzwischen die Sterne ein wenig näher angesehen. Sie meinte, dass die Konstellation sehr seltsam und ungewöhnlich wäre. Diese Nacht wäre äußerst günstig, um Großes zu vollbringen. Im Tagebuch erfuhren wir, dass sich die junge Geweihte, auf die Lockungen von Hamid hin, Z´zah zugewandt hatte. Sie hatte sich bei ihrer Ankunft in Dragenfeld nicht sehr wohl gefühlt. Sie kam mit den Dorfbewohnern nicht so wirklich zurecht und da tauchte eines Tages dieser Tulamide auf. Trotz seines erschreckenden Äußeren – er war furchtbar verbrannt, trug eine Augenklappe und roch trotz starken Duftwassers sehr unangenehm – gewann sie Vertrauen zu ihm. Umso mehr ich über Hamid ben Seyshaban erfuhr desto stärker wurde mein Gefühl, dass es sich bei ihm vielleicht um Liscom von Fasar handeln konnte. Natürlich war er tot, aber diese Prophezeiungen... Versuchte der „tote“ Diener vielleicht seinen Meister – den gebannten Borborad – zu rufen? Torben fand ein Pergament. Darauf stand das geschrieben, was wir in einer Vision in der Gor gesehen hatten. Es waren die Worte Rohals mit denen er einst Borbarad in den Limbus schleuderte. Außerdem entdeckten wir ein wenig andere Übersetzungen unserer Prophezeiungen. Ihr Herrinnen und Herren Tsa, Phex, Rondra und die Neun! Ewigjunge Herrin Tsa, deren Gnade die Schutzlosen beschützt, wir bitten Dich, schenke uns ein wenig von Deiner göttlichen Kraft, dass wir nicht dem Bösen anheim fallen mögen. Bewahre uns vor finsteren Einflüsterungen, so dass wir es vermögen unseren Weg selbst und frei zu wählen. Phex, mein Herr, sei uns in dieser finstersten Nacht der Stern, der uns den richtigen Pfad erkennen lässt. Den Sterblichen schenktest Du einst das Glück. Schenke nun auch uns davon und wir werden es Dir danken. Mutige Herrin Rondra, deren Schwert keine noch so schlimmen Schrecken fürchtet, verleihe uns das Herz einer Leuin. Sei unsere Standhaftigkeit und Stärke, das wir unseren Feinden mutig die Stirn bieten mögen. Nicht fürchten wollen wir unser Schicksal, halten die Götter schützend ihre Hand über uns. Ergriffen standen meine Gefährten und ich da und in diesem Moment spürte ich ganz deutlich, dass wir nicht auf uns alleine gestellt waren. Etwas von hier drinnen würde mit uns gehen. Und ich glaube auch meine Freunde haben es gespürt. Entschlossen traten wir zur Tür. Draußen konnte ich im ersten Moment kaum atmen. Etwas zerrte an uns und raubte uns die Luft. Mühsam stapften wir vorwärts. Unsere Haut wurde rissig, unsere Haare spröde und unsere Glieder schmerzten. Der Turm war so nah und doch fürchtete ich ihn nie zu erreichen. Und dann waren wir da. Drachentodt selbst war auch in erbärmlichem Zustand, alles zerfallen und morsch. Die Stahltür zum Turm war verschlossen und obwohl meine Finger schmerzten, stellte das Schloss keine große Herausforderung für mich da. Phex sei Dank! Den oben auf dem Turm war Korobar erschienen, der uns Schmähungen und Verwünschungen zurief. Auch er sah irgendwie älter aus. Dann hörte ich, wie er die Schergen Thargunitoths rief und ich beeilte mich die Tür aufzustoßen. Drinnen sahen wir ein Banner vom Erzrivalen Borons und klimpernd stapfte ein Rüstung auf uns zu. Aridhel, Grim und ich griffen das Ding sofort an. Von oben hörten wir ein Klimpern. Torben und Grim stürmten die Treppe hinan. Drei weitere Skelette verstellten uns den Weg. Unsere Position war so unglücklich, dass nur die Thorwaler kämpfen konnten. Schließlich kletterten Aridhel und ich an der Seite hoch. Gemeinsam konnten wir sie dann recht schnell überwältigen, aber Grim und Torben waren übel zugerichtet. Im 2. Stock waren Kreidestriche auf den Boden gemalt. Sie waren mit 1. und 2. Kette Satinavs und Hexenband beschriftet. Wir betrachteten die Zeichen noch misstrauisch, als ich ein Surren in der Luft hörte. Und dann, Schmerz! Ein Bolzen steckte tief in meinem Arm. Irgendjemand hatte von der Wendeltreppe aus geschossen. Zwei Leitern führten in den letzten Stock, indem sich Korobar aufhalten musste. Torben und Grim kletterten vor und Aridhel und ich folgten. Ich war noch nicht oben angekommen, da hörte ich einen Rums. Torben krachte durch die morschen Dielen, schlug im 2. Stock auf, um auch hier wieder durchzubrechen. Ginaya machte sofort kehrt und sah nach unserem, sicher schwer verletzten Freund. Ich sah mich um und bemerkte, dass Aridhel fehlte. Also ging ich wieder in den 3. Stock hinauf, um nach ihm zu suchen. Er kauerte oben und brabbelte etwas von „Turm so hoch, schmal und eng“, und vieles andere, was ich nicht verstand. Ich versuchte ihn zu beruhigen, hatte damit aber kaum Erfolg. Korobar hatte wohl einen dieser üblen Borbaradianersprüche auf ihn geschleudert. Ich erinnerte mich an das Fläschchen aus dem Tsatempel, was ich noch eingesteckt hatte und flößte es ihm vorsichtig ein. Vielleicht konnte die junge Göttin mehr für ihn tun. Danach schulterte ich ihn und trug ihn vorsichtig ins Erdgeschoss, wo die anderen schon warteten. Es gab nicht mehr viele Möglichkeiten, wo sich Hamid ben Seyshaban (oder Liscom?) aufhalten konnte. Ginaya, Grim und ich starrten auf die Kellerluke im Boden. Ich öffnete sie und wir stiegen hinab. Torben – der sich kaum auf den Beinen halten konnte – und Aridhel blieben oben. In dem Raum unter uns, gab es nur eine Falltüre, die von einem seltsamen Heptagramm beschützt war. Das Zeichen bedeutete etwas mit Schutz und Wache. So wie es aussah, wurde diese Türe von einem Wächterdämon beschützt. Alles andere als eine gute Nachricht. Waren doch die meisten von uns stark verletzt worden in den vorigen Kämpfen. Wieder einmal verfluchte ich es, dass meine Waffen nur gewöhnliche Schneiden waren und keine Segnung von den Göttern erhalten hatten. Und dann, nach einigen Hieben, dehnte sich das Grau plötzlich aus und verschlang uns alle. Wir fielen. Ängstlich versuchten wir die Hände der anderen zu erreichen, um uns nicht zu verlieren. Schmerzen. Ich fühlte mich, als ob etwas an mir saugen würde. Was hatte das nur zu bedeuten? Wo waren wir bloß gelandet? |
3. Rahja, 2507 Horas
Ich erwachte von einem warmen Sonnenstrahl, der sanft meine Nase kitzelte. Noch immer fühlte ich diese Zufriedenheit in mir. Es hätte ein schönes Erwachen sein können, doch dann bemerkte ich, das etwas nicht stimmte. Kein Vogelgezwitscher drang an mein Ohr, wie man es an einem so schönen Tag erwartet hätte. Und dann kehrte die Erinnerung wieder. An die letzten Tage, an all die Schrecken, die wir erlebt hatten. Ich stöhnte und wollte mich aufrichten, doch sank ich gleich wieder zurück. Ich fühlte mich alt und schwach. Jeder einzelne Knochen in meinem Körper schmerzte, meine Wunden brannten. Vorsichtig drehte ich den Kopf. Ich befand mich wieder im Tsatempel. Da lagen auch Aridhel und Ginaya und Torben und Grim. Erleichtert atmete ich auf. In der Mitte bemerkte ich eine Gestalt. Delian von Wiedbrück! Langsam richtete ich mich auf. „Wie seid Ihr hierher gekommen? Und was machen wir hier im Tempel?“ In diesem Moment wachte Ginaya auf. Sie brauchte lange um zu verstehen, wo sie sich befand und das wir alle bei ihr waren. Überhaupt wirkte sie sehr verwirrt und fahrig. Wir löcherten sie mit Fragen und sie begann stockend zu erzählen. Sie war der Gestalt begegnet, die von Liscom beschworen worden war – der Bethanier! Sein Geist war durch sie hindurchgefahren und in diese Welt zurück gekehrt. Sie fühlte sich gezeichnet und auf eine seltsame Weise war ihr Schicksal nun anscheinend mit seinem verbunden. Ist sie wirklich die erste Gezeichnete, so wie es in den Prophezeiungen steht? |
5.Rahja, 2507 Horas
Der Rückweg ist mühsam. Die Wunde der Welt scheint sich geschlossen zu haben, aber die Verwüstung bleibt zurück. So schweigsam wie in diesen Tagen war unsere Gemeinschaft wohl noch nie. Wir haben auf diesem Berg viel verloren. Jahre unseres Lebens, unsere Unbeschwertheit, vielleicht sogar eine Gefährtin. Und ER ist nun wieder auf Dere? Das kann alles nicht sein! |
7.Rahja, 2507 Horas
Wir haben heute unsere Pferde wieder gefunden. Die armen Tiere sind mehr oder minder wohlauf. Sie scheinen nur auch ein bisschen älter geworden zu sein. Endlich haben wir die Zone der Zerstörung verlassen. Bis zur Abzweigung zum Zollhaus reichte sie. Ich sitze alleine auf meinem Zimmer in Anderath. Ein Alptraum schreckte mich auf. Ich sah wieder die schmerzverzerrten Gesichter von Liscoms Opfern. Ich wünschte Aridhel wäre hier und würde tröstend seinen Arm um mich legen, aber er ist mit Ginaya vorgeritten nach Anderath. Ihr linkes Auge hat sich böse entzunden und sie litt unter starken Kopfschmerzen. Sie meinte auch, dass sie alles in einem leichten Grauschleier wahrnehmen würde. |
9.Rahja, 2507 Horas
In Salthel trafen wir auf Aridhel und Ginaya. Einige der Praiosgeweihten sind hier und das Treffen zum 15. Rahja wird nun hier statt finden. Ginayas Auge konnte bisher nicht geholfen werden und mittlerweile scheint es schlimmer geworden zu sein.
Nachdem wir uns ein wenig gestärkt hatten, gingen wir zu Amando Laconda da Vanya und berichteten ihm in groben Zügen, was wir erlebt hatten. Er hörte uns ruhig zu und sagte nur wenig zu alldem. Die richtige Besprechung wird wohl erst Mitte Rahja, wenn alle Untersuchungstruppen zurück sind, abgehalten werden. Weder von Mutter Linai noch von einem der Dorfbewohner gibt es irgendeine Spur. Wir wagen es alle nicht auszusprechen, aber es dürfte keine Hoffnung mehr für sie geben. Hoffentlich konnte sich Boron an diesem unheiligen Ort ihrer Seelen annehmen. |
15. Rahja, 2507 Horas
Morgen brechen wir auf. Bloß weit weg von diesen Bannstrahlern! Ucurian Jago traf heute mit seinen Leuten ein, oder besser gesagt mit denen, die noch übrig waren. Bei einer großen Versammlung erzählten wir, wie es uns ergangen war. Von den Untoten Korobars, von Liscoms Beschwörung im Turm und seinen dunklen Absichten seinen Meister wieder in die Welt zurück zu holen. |