Herzog Waldemars Auftrag
Inhaltsverzeichnis
Eintrag vom 1. Travia 1016 BF
Wir sind endlich aufgebrochen in Richtung Trallop. Der Wintereinbruch ist heuer ungewöhnlich früh. Es gibt bereits den ersten Schnee, dadurch kommen wir nicht allzu schnell voran. Das Land liegt zum Teil friedlich unter einer weißen Decke. Es lässt mich die Schrecken von früher für eine Weile vergessen. Eigenartig ist es, nach Weiden zurückzukehren, so viele Erinnerungen werden wieder wach. Auch wenn wir uns die letzten Monate viel damit beschäftigt haben, es wird ein komisches Gefühl sein, wieder an jede Orte zurückzukehren, wo alles begann. |
Eintrag vom 5. Travia 1016 BF
Wir kommen wirklich viel langsamer voran als geplant. Zwischendurch überraschen uns immer wieder kalte Winde, die einem die Reise unbequem machen.
Mich beschäftigen die Gespräche, die wir die letzten Tage geführt haben. Der Stern von Selem… ob er es wirklich ist? Er hat seinen Trägerinnen und Trägern stets Unglück gebracht. Ereilt mich etwa das gleiche Schicksal? Prishya konnte nichts Ungewöhnliches feststellen an dem Stein. Aber wer weiß, wie mächtig er ist. Korobar wollte ihn für sein grauenvolles Ritual verwenden, gut möglich, dass ihm enorme Energien innewohnen. Die Häuser ziehen an uns vorbei. Es sind immer noch einige Menschen auf der Straße unterwegs. Ich muss mein Auge wieder verstecken. In der Bibliothek von Punin habe ich die Augenklappe meist runtergenommen. Ich hatte sie nur griffbereit, falls jemand kommen würde. Doch zwischen den zimmerhohen Regalen konnte ich mich gut verstecken. Ich war alleine, hatte meine Ruhe. Es ist komisch, nun wieder unter Menschen zu gehen. Ich fühle mich beobachtet, als ob alle mich anstarren würden. Ob sie sich noch an uns erinnern? |
Eintrag vom 9. Travia 1016 BF
Wir rätseln immer noch, was Herzog Waldemar für eine Aufgabe für uns hat. Ob es etwas mit Dragenfeld zu tun hat? Er hat weit nach uns schicken lassen. Warum will er ausgerechnet uns? Wo wir doch alle so weit weg sind. Ich hoffe, Torben kommt auch noch. Er kann sich sicherlich nur schwer von seiner Familie trennen.
Heute wurde ich wieder von Alpträumen geplagt. Ich wurde Zeugin einer Beschwörung, dunkle Mächte wurden angerufen. Ob das noch die Nachwirkungen von Dragenfeld sind? Oder verheißen diese Träume neues Unheil? |
Eintrag vom 15. Travia 1016 BF
Wir sind immer noch nicht in Trallop angekommen. Ich hoffe, Herzog Waldemar ist nicht ungehalten über unsere Verspätung. Seit ein paar Tagen schneit es auch schon wieder. Die anderen sind guter Dinge, doch ich mache mir etwas Sorgen. Was ist, wenn diese Einladung in Wirklichkeit eine Falle ist? Vielleicht wollte uns Herzog Waldemar nur nach Weiden locken, damit der KGIA oder die Kirche des Praios uns endlich festnehmen kann. Und dann Gnade der Zwölfe, was uns bevorsteht. Ich werde auf jeden Fall vorsichtig sein. Die anderen sind einfach so leichtgläubig. Joela tadelt mich immer, wenn ich ihr meine Sorgen mitteile.
Wenn nun aber der Herzog wirklich einen Auftrag für uns hat, dann sollten wir uns auch dem Anlass entsprechend kleiden und benehmen. Joela und ich haben in Gareth für Grim neue Gewandung gekauft. Er kann sich ja so nicht blicken lassen. Ich hoffe auch, dass Torben entsprechend gekleidet ist, falls er vor uns dort ist. Ich traue ihm zu, dass er in seiner gewöhnlichen Alltagskleidung dort aufkreuzt. Es ist herrlich, sobald wir mit dem Pass des Herzogs irgendwo einkehren wollen, müssen wir für nichts mehr bezahlen. Wir werden überall gleich eingelassen, weder Tor noch Tür bleibt uns verschlossen. |
Eintrag vom 20. Travia 1016 BF
Endlich sind wir wieder in Trallop angekommen. Man hat immer noch nichts von Mutter Linai gehört. Ich denke, wir müssen die Hoffnung aufgeben, dass sie noch lebt. Ich trauere um diese fähige Geweihte, die so viel Lebensmut versprüht hat.
Heute hatte ich eine kurze Diskussion mit Joela. Wir sprachen über die Herkunft des Namens des Neunaugensees. Ich weiß ja, dass er davon kommt, dass Fische mit neun Augen darin leben. Doch Joela hat mir unbedingt widersprechen müssen. Was ist nur in sie gefahren? Seit wann ist sie so respektlos mir gegenüber? So hat sie sich noch nie verhalten. Mir kommt das sehr verdächtig vor. Auch Grim hat sich auf ihre Seite gestellt. Was ist nur auf einmal los? Stellen sich denn jetzt alle gegen mich? Ich werde in nächster Zeit noch vorsichtiger sein als sonst. Hoffentlich schlafe ich heute besser als gestern. Ich habe sehr schlecht geschlafen. Liscom ist mir erschienen. Er war über Bücher gebeugt. Irgendetwas schien er zu suchen. Wenn ich nur wüsste was… ich befürchte schon, dass er doch noch am Leben ist, auch wenn das fast nicht sein kann. Den anderen habe ich davon nichts erzählt, ich möchte sie nicht beunruhigen. |
Eintrag vom 20. Travia 1016 BF
Wir sind nun in der Bärenburg untergebracht. Unser Treffen mit Herzog Waldemar verlief ohne Schwierigkeiten, aber doch mit einigen Überraschungen.
Wir kamen gerade an, als auf einer Steintreppe eine Frau mit einem Kind im Arm saß. Joela fragte nach dem Namen des Kleinen. Zu unser aller Verwunderung antwortete sie: „Grim“!!! Sie war die Amme des Kindes, und erklärte uns, dass dieses Kind doch tatsächlich nach meinem Ehemann benannt wurde!!! Ich habe Grim sofort vorwurfsvoll angesehen, normalerweise werden Kinder eher nach ihrem Vater benannt! Doch Grim beteuerte, dass er nichts damit zu tun hatte. Ich glaube ihm langsam, aber es war doch ein ziemlicher Schrecken für mich im ersten Moment. Seither prahlt Grim damit herum, dass nun schon Kinder seinen Namen tragen! Pah, ich bin mir sicher, nach mir wurden auch schon viele Mädchen benannt! Wie dem auch sei, wir betraten den Thronsaal, als unser Blick sofort auf einen Bären von Mann fiel, der gerade ausgiebigst schnupfte. Es war Herzog Waldemar, der an einem Orkschnupfen litt. Ja, von diesem Pack kommt einfach nichts Gutes! Uns wurde Bierbrot mit Knoblauch gereicht. Aridhel rümpfte natürlich sofort die Nase. Ich flüsterte ihm zu, dass er ja nicht abbeißen muss, er tat es nicht und gab es weiter. Zum Glück nahm es ihm niemand übel Herzog Waldemar hatte immer einen lustigen Spruch auf den Lippen und war überhaupt die ganze Zeit, nun, ich sage mal, unkonventionell. Gar nicht wie man es von einem Adeligen in seinem Stand erwarten würde. Ich war wirklich etwas schockiert über den rauen Umgangston, den er pflegt. Da fragte dieser Mann doch tatsächlich, wie alt ich sei, denn er habe sich mich jünger vorgestellt! Wie kann er es nur wagen?! Weiß er denn nicht, was uns zugestoßen ist? Wie taktlos. Ich verließ den Raum um mich ins Bad zu begeben, wie ich den anderen sagte. Ich brauchte einfach etwas frische Luft. Seine Frau Yolina ist viel angenehmer. Sie hat sich auch öfters für das Benehmen ihres Mannes entschuldigt. Diese Frau versteht es eindeutig ihn zu zügeln. Eines muss man dem Herzog jedoch lassen, er tischte uns nur die erhabensten Gerichte auf. Ich habe selten so einen köstlichen Hirsch gegessen. Das Gemüse dazu war ausgezeichnet und bot einen Genuss für meinen Gaumen, der in den letzten Tag von ländlicher Bauernskost gequält wurde. Wir fragten den Herzog auch nach den Untersuchungen in Dragenfeld, doch gab es entweder keine neuen Erkenntnisse oder er wollte sie uns nicht mitteilen. Er konnte mir jedoch sagen, dass Magister Finkenfarn in Salthel zugegen ist und Untersuchungen seinerseits durchführt. Vielleicht kann ich mich mit ihm in Verbindung setzen. Gerade haben wir unser Quartier bezogen, es ist ein Doppelzimmer. Ein frisches Strohgesteck schmückt unseren Schreibtisch. Es ist alles in allem ein hübsches Zimmer, vor allem der Ausblick ist einfach traumhaft. Man hat das Gefühl das gesamte Weidener Land zu überblicken. Es sieht so friedlich aus. Was hier wohl vorgeht, dass der Herzog uns persönlich rufen hat lassen. Meine Ahnung sagt mir, dass es nichts Gutes zu heißen hat. |
Eintrag vom 20. Travia 1016 BF
Das Abendessen verlief ganz nett, wir haben uns viel mit Walpurga und ihrem Mann Dietrad unterhalten. Er kommt übrigens aus Ysilia. Die Magierakademie dort ist schon wieder in Betrieb, das freute mich wirklich zu hören. Die Stadt wird wieder zu neuer Blüte gelangen, sie befindet sich jedoch immer noch im Aufbau. Auch die Bibliothek und die Kampfakademie sind noch nicht fertig. Doch es ist schön zu hören, dass die Stadt sich endlich wieder von dem Ogerzug erholt.
Die Orks bereiten dem Weidener Land immer noch Probleme, doch in Heldentrutz konnten sie endlich zurückgedrängt werden. Ich bin sehr froh darüber. Das Schwert der Schwerter unterstützt dieses Vorhaben, ich bin sicher, bald ist dieses Pack aus unseren schönen Landen vertrieben. Nach dem Essen sprachen wir endlich über den Auftrag. Nur die Herzogin und natürlich wir waren neben seiner Hoheit anwesend. Zuerst wussten wir nicht, von was Herzog Waldemar sprach, er drückte sich für einen Adeligen seines Standes nicht gerade gewandt aus. Wirklich schockiert war ich, als er uns gestand, dass er nicht einmal des Lesens mächtig war! Ein Adeliger! Weiters meinte er, dass er allgemein von Hesindes Gaben keine Ahnung hätte. Und so täte er sich schwer uns in Worten mitzuteilen, was er uns zu sagen hätte. Irgendwann kam heraus, dass seltsame Dinge in seinem Land geschehen würden, die er nicht versteht. Es sei auch nicht schwer dies herauszufinden, doch es sei schwerer etwas dagegen zu unternehmen. Dann wurde mir endlich klar, dass der Herzog durchaus in der Lage wäre, die Dinge beim Namen zu nennen. Er ist zwar ein richtiger Kämpen, auf den Rondra stolz sein kann, doch vor Dingen, die er nicht kennt hat er schlicht und ergreifend Angst. Wie alle Weidener ist er einfach nur abergläubisch. In der letzten Zeit wurde das Verschwinden von über drei Dutzend Menschen gemeldet. Wahrscheinlich sind es noch weitaus mehr, doch nicht alle Barone scheren sich darum, dies zu melden, speziell die Räuberbarone in Sichelwacht. Die Vorfälle mehren sich im Süden des Landes. Wir sollen zu Vogt Norhold von Mauterndorf in Braunsfurt fahren, er würde uns weiterhelfen können. Baliho sei auch betroffen. Nach einigen Überlegungen bot uns der Herzog 50 Dukaten pro Person! Außerdem können wir uns beliebig in der Waffenkammer bedienen. Er lässt sich wirklich nicht lumpen. Doch glaube ich auch, dass die gute Bezahlung damit zusammenhängt, dass es sich nicht um irgendein einfaches Verschwinden von Personen handelt, sondern dass etwas anderes dahintersteckt. Etwas, dass wahrscheinlich mit Magie oder Dämonischem Wirken zu tun hat, denn der Herzog hat offensichtlich ziemliche Angst davor. Ich bin wirklich gespannt, was uns erwarten wird. Morgen haben wir eine genauere Besprechung der Dinge. Yolina von Weiden nahm uns nach diesem Gespräch zur Seite und warnte uns, dass alle Weidener einfach abergläubisch sind, deshalb schweigen sie über die Vorfälle. Sie glauben, wenn man sie ausspricht, treten sie ein. Außerdem sollen wir aufpassen, unser Pass sei südlich von Auen nicht gültig, auch wenn Herzog Waldemar der Ansicht ist, dass auch dieses Gebiet noch zu Weiden gehört. Dort sei Graf Helme Haffax zuständig, wir müssten also mit ihm verhandeln. |